Das Schicksal der donauschwäbischen Waisenkinder in Jugoslawien

Auszug aus der Gedenkrede von Em. Erzbischof Dr. Zollitsch im Haus der Donauschwaben Sindelfingen am 14.April 2018 – Anlass; 70 Jahre Auflösung der Lager:


Ein besonders schweres Schicksal hatten die zwischen 40 000 bis 45 000 Kinder in den Todeslagern. Sie gehörten in den Vernichtungslagern oft zu den ersten Opfern. Im ersten Internierungsjahr starben ca. 6 000 Kinder in den Lagern. Noch höher war die Sterberate unter den Alten, zumal die Großmütter oft das wenige Essen, das sie erhielten, ihren hungernden Enkeln gaben. Doch der Tod der Großmütter ließ viele völlig alleinstehende Kinder ganz verwaist zurück.

Aus graphischer Zyklus v. Sebastian Leicht – Die Verlorenen. Archiv Arme Schulschwestern

So begannen die jugoslawischen Behörden, verwaiste Kinder zunächst in den Lagern in eigens dafür ausgewählten Häuser zu sammeln und sie dann aus den Vernichtungslagern herauszuholen, aber nicht nur verwaiste, sondern auch andere, die sie ihren Angehörigen wegnahmen. Bereits im Januar 1946 wurden in Gakowa Kinder zwischen zwei und zehn bis vierzehn Jahren von ihren Angehörigen getrennt, in eigenen sog. „Kinderheimen“ untergebracht und mit ihrer ethischen Umerziehung durch „fortschrittliche“ slawische Kinderbetreuerinnen begonnen. Mitte 1946 erfolgte dann der erste Kindertransport aus Gakowa in Umerziehungsheime, dem bis zur Auflösung des Lagers noch drei weitere solche Kindertransporte folgten. Solche Kindertransporte gab es auch in den anderen Lagern und dann nochmals bei der Auflösung der Lager 1948. Nach vorsichtigen Berechnungen wurden ab Mitte 1946 rd. 7 000 „verwaiste“ Kinder aus den Vernichtungslagern geholt, um ethisch umerzogen und zu Musterkommunisten geformt zu werden. Die Geschwister wurden konsequent voneinander getrennt und die Kinder auf weit über 100 Kinderheime in ganz Jugoslawien verteilt. Jugoslawien betrachtete die Kinder als Staatseigentum, deren „Vater“ Tito und deren „Mutter“ Jugoslawien war. Alles war darauf angelegt, dass sie die deutsche Sprache, deren Gebrauch verboten war, völlig verlernten und ihre Herkunft vergaßen.


Es gehört zweifellos zu den großen Verbrechen gegen die Menschheit und die Menschen, Menschen ihre Heimat, ihre Familie, ihre Identität, ihre Sprache, ihre Religion, ihre Volkszugehörigkeit zu nehmen. Auch das ist eine Form von Völkermord, von geistigem Völkermord.

Fünf Jahre hindurch waren alle Versuche, Eltern und Kinder, Geschwister, Kinder und Verwandte zusammenzubringen, von Misserfolgen begleitet. Es würde zu weit führen, hier auf die jahrelangen oft vergeblichen Mühen einzugehen, denen es darum ging, herauszubekommen, wo die Kinder waren, um sie freizubekommen. Jugoslawische Behörden taten alles, um dies zu verhindern. Kinder wurden bewusst mehrfach in verschiedene Heime gebracht, um die Herkunft und die Spuren zu verwischen. Oft wurde auch deren Existenz abgestritten. Belegt ist, dass zwischen 1950 und 1959 insgesamt 2 259 Kinder im Rahmen der Familienzusammenführung zu ihren Vätern, Geschwistern, Verwandten zurückkehren konnten oder in Deutschland in einem Kinderheim eine Bleibe fanden.1 Wieviele ihre Identität verloren haben und in Jugoslawien verblieben, entzieht sich unserer Kenntnis. Wenn man jedoch bedenkt, dass rd. 7 000 volksdeutsche Kinder aus den Lagern geholt und in jugoslawischen Kinderheimen untergebracht wurden, und dass wir nur von 2 259 Kindern wissen, dass sie im Rahmen der Familienzusammenführung herausgeholt werden konnten, kann man erahnen, wieviele, ethisch umerzogen, in Jugoslawien verbleiben mussten.

Nachfolgend ein Einzelschicksal:

Theresia Sendelbach (geb. 1936) aus Filipowa, kam am 31. März 1945 mit Ihrer Familie, Mutter, Großeltern und dem Bruder (geb. 1934) und der Schwester (geb. 1939) ins Vernichtungslager Gakowa, der Vater wurde am 25.11.1944 auf der Heuwiese ermordet. Der Großvater verstarb schon in den ersten Wochen an Unterernährung im Lager. Die Mutter und Großmutter der Kinder verstarben im Vernichtungslager im Januar 1946. Die Kinder kamen nun in das Kinderheim des Lagers Gakowa. Hier wurden die Kinder nur notdürftig von hilfsbereiten Lagerinsassen versorgt, es gab keine Hygiene keine ausreichende Verpflegung, die Kinder lagen auf Strohlagern in ungeheizten Räumen und hatten kaum Decken und warme Kleidung, es gab keine Toiletten, nur Latrinen oder Notdurft im Freien, die Läuseplage holte sich ihre Opfer, die Todesrate war sehr hoch unter den Kindern.

.Mit dem ersten Kindertransport aus dem Lager durch die Lagerverwaltung im Sommer 1946, kamen die Kinder in das Umerziehungs-Kinderheim „Stara Kanjiza“.(Alt-Kanischa) Nähe Subotica. Hier bekamen sie neue Kleider, besseres Essen und mußten die serbische Sprache lernen. Nach einigen Wochen war deutsch sprechen verboten. Im Sommer 1947 kam Theresia Sendelbach mit ihren Cousinen Eva und Theresia Ischkum ins Kinderheim Werschetz/Banat, die jüngere Schwester Hedwig, kam in ein Kinderheim nach Südserbien, der an Tb erkrankte ältere Bruder kam in ein Kinderheim nach Cilly/Slowenien.
Der Onkel der Kinder, er war aus der Gefangenschaft nach Deutschland entlassen worden, hatte Nachforschungen über den Verbleib der Kinder über den Suchdienst des Roten Kreuzes veranlasst. Theresia Sendelbach durfte im Jahr 1952 mit ihrer Schwester Hedwig und den Cousinen Eva und Theresia Ischkum nach Deutschland ausreisen. Der Bruder blieb in Jugoslawien. Theresia und Hedwig Sendelbach wurden in Deutschland Krankenschwestern, Eva und Theresia Ischkum traten den Ordensschwestern der Vinzentinerinnen bei, für den Orden waren sie als Erzieherin tätig.

Propagandafotos mit den ethisch umzuerziehenden verwaisten deutschen Kindern

Auf dem Foto, eine Gruppe Schülerinnen des Gymnasiums mit serbischen und weiteren donauschwäbischen elternlosen Kindern im Kinderheim Werschetz/Banat. Entspreched ihren Lernerfolgen wurden deutsche Kinder auch ins Gymnasium aufgenommen.
Unten links: Erste; Theresia Sendelbach und die Zweite; Cousinen Eva Ischkum. Theresia Ischkum (untere Reihe zweite von rechts) aus Filipowa.
Foto: Theresia Pitz/Sendelbach.
Donauschwäbische Mädchen in der aus mehreren national gemischten Gruppen bestehenden Marschkolonne in ‚Werschetz am 1. Mai 1950. Zur kommunistischen Erziehung gehörte das Marschieren am 1. Mai. – Foto Theresia Pitz/Sendelbach.
Sport und Spiel gehörte zum Programm der Umerziehung zu einem neuen Menschen mit sozialistischer Ideologie und neuer slawischer Idendität
Foto Theresia Pitz/Sendelbach
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