Sein Vater wurde auf der Heuwiese ermordet! Ludwig Vogl

Ludwig Vogl (geb. 1931)

Ludwig Vogl 2019 auf der Wallfahrt in Bad Niedernau. Foto Lang

Der Vater von Magister ­Ludwig Vogl war der Apotheker in ­Filipowa, der 5000 Seelen-­Gemeinde im ehemaligen Jugoslawien. Ludwig junior war 13 Jahre alt, als 1944 nach Abzug der deutschen Wehrmacht die Tito-Partisanen alle Männer von 16 bis 60 Jahren zusammentrieben und 212 von ihnen auswählten, um sie zu erschießen oder zu erschlagen. Er musste dies alles miterleben. An jenem 25. November 1944 sollte sein Vater gar nicht zuhause sein, er war zum Sanitätsdienst nach Subotica einberufen – doch er und auch der Dorfarzt Dr. Franz Dickmann hatten Wochenendurlaub. Beide wurden ermordet. Ludwig Vogl, Apotheker wie sein Vater, kommt jedes Jahr zur Wallfahrt nach Bad Niedernau.

Foto: Familienbesitz

Familie Vogl 1938, Foto: Familienbesitz

Mittags um zwölf war das Essen fertig und Ludwig schaute nach seinem Vater. Die meisten Männer waren auf dem Hof vor der Kirche, einige hatten die Partisanen in die Kirche geschickt – sie wurden verschont. Die anderen standen noch im Hof. Der junge Ludwig hörte heimlich zwei Partisanen zu, als sie sich unterhielten. „Stace biti sa ovima?“ (was wird mit ihnen passieren?) – „Biti ce streljani“ (sie werden erschossen). Was konnte er tun? Sein Leben lang schon stellt Ludwig Vogl sich diese Frage. Wie hätte er als Bub da eingreifen können? Stunden später kam er wieder und sah, wie sie aus dem Dorf getrieben wurden. Er hörte die Schüsse. Wie er später erfuhr, wurde sein Vater und der Dorfarzt, die Dorfprominenten, als erste erschossen.

Die Apotheke der Familie Vogl in Filipowa, 1930er Jahre. Foto: Familienbesitz

Heute ist auf der Heuwiese, einem Gewann vor dem Ort Filipowa, das heute Backi Gracac heißt, ein Gedenkstein errichtet, ein Monument, das an die 212 Ermordeten erinnert. Ludwig Vogl war bei der Einweihung 2011 dabei. Die Namen der Ermordeten sind dort in Stein gemeißelt. Noch lange Jahre waren die Massengräber dort an den Erdverfärbungen und dem schlechten Wuchs der Ackerfrüchte und des Grases erkennbar gewesen. Man hatte die Getöteten schnell in vorhandene Gruben einer aufgegebenen Flak-Stellung geworfen und vermutlich Chemikalien verwendet, die später vielleicht die Wuchshemmung verursachten.

67 Jahre nach dem Massenmord: Die Pflugschar konnte die Spuren der Gräber nicht löschen. Foto: Adam Kupferschmidt 2011

Bis in die 1990er-Jahre durfte man sich in der Nähe des Ackers (alter Flurname „Heuwiese“), auf dem der Massenmord geschah, nicht aufhalten, um der Toten zu gedenken. Das Gelände der Massengräber wurde bis 2010 viele Jahrzehnte lang umgepflügt und als landwirtschaftliche Nutzfläche bepflanzt. Die Massengräber blieben jedoch deutlich sichtbar, weil die Saat an dieser Stelle nicht gedeihen wollte. Seit etwa 2002 begann die Annäherung zwischen den ehemaligen Bewohnern und der politischen Vertretung des Ortes. Im Jahr 2008 durfte auf dem ehemals deutschen Friedhof eine Gedenkstätte für die hier bis 1945 bestatteten deutschen Bewohner errichtet werden. 2011 bekam die Arbeitsgemeinschaft der Filipowaer die Genehmigung, auf dem Feld der Massengräber eine Erinnerungsstätte zu erstellen. Die Namen der Ermordeten durften in den Granitsockel des Denkmals eingraviert werden.

7.6. 2011 – Rund 550 bis 600 Angehörige und Trauergäste nahmen an der Einweihung der Gedenkstätte teil. Foto: Pagi

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Die nahezu 350 Spenderinnen und Spender aus Deutschland, Österreich, Kanada und den USA sind der Gemeinde Backi Gracac sehr dankbar, dass sie dieses Denkmal ermöglicht hat. Dies war ein starkes Startsignal für die Aufarbeitung und Dokumentation des Schicksals der Deutschen im Ort Filipowa auf dortigem Boden. Seitdem gedeihen die Beziehungen zwischen ehemaligen und heutigen Bewohnern mehr und mehr.

17.6. 2011 – Ehrengäste bei der Einweihung – nebst Geistlichkeit waren auch der deutsche und ungarische Botschafter aus Belgrad sowie der Ministerpräsident der Woiwodina aus Novi Sad anwesend. Foto: Pagi
17.6.2011 – Erzbischof Zollitsch beim Weiheakt der Gedenkstätte Heuwiese. Foto: Pagi

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