Die Armen Schulschwestern und ihr Bad

Die Kongregation der Armen Schulschwestern Unserer Lieben Frau hat eine lange und interessante Geschichte. Die Bad Niedernauer Schwestern stammen aus deutschen Orten in der heutigen Provinz Vojvodina in Jugoslawien und hatten ihr Mutterhaus bis 1918 in Kalocsa (Südungarn). Eines ihrer zahlreichen Klöster mit Klosterschulen war 1905 in Filipowa gegründet worden, dem Ort, dessen vertriebene Bewohner noch heute eng mit Bad Niedernau verbunden sind.

Kloster und Klosterschule in Filipowa (Batschka, ehem. Jugoslawien, heute
Bački Gračac, Serbien). In dem Gebäude ist heute noch eine Schule. Foto: Lang 2018
7Postkarte aus den 1920er Jahren, Foto: Franz Hauschka, Archiv Stiftung Arme Schulschwestern Bad Niedernau

Gegründet hatte den Orden im Jahr 1834 die Mutter Maria Theresia Gerhardinger (1797 – 1879) in Nürnberg. Ihre Gründungsidee baute auf den Regeln des Petrus Forrerius (Pierre Fourier) und der seligen Alix le Clerc auf. Jener Orden der reformierten Chorfrauen des Hl. Augustinus in Regensburg bestand seit 1597 und wurde um 1830 geschlossen. Maria Theresia Gerhardinger war eine der letzten Schülerinnen und sie setzte mit der Neugründung die Idee auf eine besondere Art fort: Dem Frauenorden wurde eine Mädchenschule angeschlossen und dies führte nachhaltig zum Erfolg und zu Nachwuchs. Zahlreiche Tochterklöster entstanden nach diesem Prinzip in wenigen Jahrzehnten in In- und Ausland. So auch in Kalocsa in Ungarn im Jahr 1857 und eine Generation später 1905 in Filipowa. Filipowa war eine Großgemeinde mit ca. 5000 Einwohnern in der fruchtbaren Batschka gelegen. Dort war großer Bedarf an Schulunterricht für die etwa 500 Kinder im Ort und zeitweise unterrichteten die Schulschwestern auch Knaben in den acht großen Klassenzimmern und im Kindergarten des Klosters.

Schon vor Ende des Zweiten Weltkriegs waren alle deutschstämmigen Bürger Jugoslawiens entrechtet, enteignet, zur Zwangsarbeit deportiert oder interniert worden. Die Geistlichkeit bildete eine Ausnahme. Doch entzog man den Schulschwestern ihre Lehrerlaubnis. Um Überleben zu können, mussten die Schwestern in den ersten Jahren auch in der Landwirtschaft arbeiten, später holten die neuen serbischen Verwaltungsbeamten des Ortes die Schwestern ins Rathaus, wo sie Übersetzungs – und Dolmetscher-Dienste zu erledigen hatten. Für die in Lagern internierten Donauschwaben erbettelten sie Lebensmittel und Medikamente und schmuggelten diese in die Todeslager.

Das Kloster in Filipowa wurde der Kongregation genommen, die noch im Kloster verblieben letzten Schwestern fanden im örtlichen Pfarrhaus oder benachbarten Pfarrhäusern Unterkunft. Der Wunsch der deutschstämmigen Schwestern , im deutschsprachigen Umfeld zu arbeiten, wurde von den Vorgesetzten respektiert. Die Auswanderung aufgrund der Familienzusammenführung konnte in den 1950er Jahren erfolgen. Die beiden Schulschwestern, Sr. Maria Lea Helfert und Sr. Maria Cherubina Hoog, waren die letzten Schwestern und damit die letzten deutschstämmigen Bürger welche 1957 Filipowa verlassen haben. Der größte Teil der deutschstämmigen Schulschwestern in der Batschka (Jugosl. + Ungarn) hat die alte Heimat in den 1950er Jahren verlassen und ist ihren vertriebenen Landsleuten nach Österreich und Deutschland gefolgt. Aber auch im Nachkriegsdeutschland war es nicht leicht eine Bleibe zu finden.

Die erste Stelle im Rupert-Mayer-Heim in Göppingen für Lehrlinge und Jungarbeiter1953. Foto: Archiv Stiftung Arme Schulschwestern

Zunächst fanden einige in Göppingen, dann in Stuttgart-Rot neue Aufgabenbereiche. 1957 konnten sie in Bad Niedernau bei Rottenburg am Neckar eine Schule gründen und dort Spätaussiedlerkinder unterrichten. Das Haus, das sie dafür mit Hilfe der Diözese erwarben war zuvor ein sogenanntes Kriegererholungsheim gewesen, das 1917 vom Kyffhäuserbund eingerichtet worden war. Ursprünglich aber war es die Landvilla des Stuttgarter Arztes Kilian von Steiner, der es vom eigentlichen Bauherren Prof. Felix Niemeyer erworben hatte. Dazu gehörte ein großer Garten und ein sogenanntes Gästehaus. Am 30. Sept. 1957 zogen die ersten Schwestern, Sr. Zenobia Gillich (Oberin), Sr.Lea Helfert und Cherubina Hoog, ein. Am 11.Mai 1958 trafen die ersten Förderschülerinnen ein. Für sie wurde im Haupthaus der Steinerschen Villa, der Unterrichtsraum und Schlafräume eingerichtet. Die Schlafräume der Schwestern richtete man in der Badstrasse 67 ein.

Die Steinersche Villa in den 1960ern. Foto: Archiv Stiftung Arme Schulschwestern
Foto: Archiv Stiftung Arme Schulschwestern

1960 wuchs das Kloster zur eigenen Ordensprovinz. Erste Provinzoberin war Mutter Maria Lea Helfert aus Batschki-Brestowatz, die über 40 Jahre in Filipowa als Lehrerin tätig war. Damals war das Kloster bereits auf 38 Ordensfrauen angewachsen, 33 davon stammten aus der Batschka.

Auch hier im sogenannten Fritz-Keller-Haus waren Schülerinnen untergebracht. Foto: Archiv Stiftung Arme Schulschwestern
Der Garten der Steinerschen Villa mit dem Kreuzgewölbegang wurde jetzt zum Klostergarten. Foto: Archiv Stiftung Arme Schulschwestern

1964 stand das benachbarte Bad-Hotel zum Verkauf. Es wurde von der Diözese Rottenburg den Schwestern zur Übernahme und Betreuung als Sanatorium für Rekonvaleszente und Erholungsstätte angeboten. Der Zustand des Hauses war stark renovierungsbedürftig. Mit viel Eigenarbeit wurde saniert, so konnten bereits am 25. Juli 1964 die ersten Kurgäste aufgenommen werden. 36 Betten standen nun zur Verfügung. Durch die Geräumigkeit des Sanatoriums konnte nun auch ein Teil der Förderschule (30 Kinder), hier untergebracht werden. Im Jahr 1965 wurde auch das im Park frei stehende Gästehaus saniert und modernisiert, hier standen nun 50 weitere Betten zur Verfügung. Doch die hauseigenen Quellen mit Heilwasser, so stellte sich heraus, waren verschmutzt und komte den hygienischen Anforderungen nicht mehr gerecht werden. Die Aufrechterhaltung des Badebetriebes war gefährdet. 1966 ließen sie neue Quellen bohren und wurden fündig. Das Heilwasser ist klassifiziert als „Calcium-Hydrogen-Karbonat-Sulfat-Säuerling“ und hervorragend für Heilzwecke geeignet. Das ehrgeizigste Projekt kam aber erst: 1974 war mit Unterstützung des Landes und der Diözese Rottenburg der Baubeginn für das neue Heilbad mit medizinischer Abteilung und mit weiteren Gästezimmern. 1977 war es so weit. Fortan zählten die Klosterfrauen zeitweise 20.000 Übernachtungen pro Jahr. Mitarbeiterinnen fanden die Schwestern in Niedernau und den Nachbarorten, die Kurärztin kam ebenfalls aus der Nähe, behielt aber ihre eigene Praxis bei.

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Die ersten Schülerinnen 1953. Foto: Archiv Stiftung Arme Schulschwestern

Auch die Förderschule wurde noch bis 1985 von einigen Schwestern weiterbetrieben. Die Mädchen, meist Spätaussiedlerkinder aus Osteuropa, die dort Deutsch lernten, blieben ein ganzes Jahr im klösterlichen Internat der Armen Schulschwestern.

Die ersten Kurgäste 1964. Foto: Archiv Stiftung Arme Schulschwestern
1983 waren auch die Außenanlagen fertiggestellt. Foto: Archiv Stiftung Arme Schulschwestern
24.10.1983 – 150 Jahre Gründung der Kongregation wird mit Bischof Dr. Georg Mosergefeiert. Foto: Archiv Stiftung Arme Schulschwestern

Leider ging auch die Hochphase des Sanatoriums in den 1980er Jahren zu Ende. Zum einen reduzierten in der „Gesundheitskrise“ die Krankenkassen ihre Unterstützung für Kuren allgemein und zum anderen fehlte es mehr und mehr an Nachwuchs im Kloster. Seit 1964 war keine neue Schwester mehr in den Orden gekommen. Obwohl sie 1975 von Rom ihre Selbständigkeit als Kongregation Bischöflichen Rechts zugesprochen bekamen, fand sich keine junge Novizin mehr. Die durchaus aktiven Damen waren längst in einem Alter, in dem andere Rente beziehen. 1990 war die jüngste 65 Jahre alt.

1989 endete der stationäre Sanatoriumsbetrieb, jedoch das Hallenbad und die Räumlichkeiten für medizinische Anwendungen konnten für ambulante Anwendungen noch bis 2004 fortgesetzt werden.

Foto: Lang 2017

Doch was ist ein Kloster ohne Kapelle. Im gleichen Baustil wie das Kurmittelhaus und das Schwesternhaus wurde auch die Gedächtniskapelle in das Baukonzept mit einbezogen. Ein Gang verbindet das Gästehaus, die Kapelle, die Kureinrichtungen und das Sanatorium, das nach wie vor den Speisesaal und die Küche sowie weitere Gästezimmer enthielt. Am 25.März 1979 wurde die Gedächtniskapelle von Dr. Georg Moser eingeweiht. Große Spendenbereitschaft kam von Donauschwaben, nachdem in allen Regionen Deutschlands, Österreichs und in Übersee um großzügige Spenden aufgerufen wurde. Über 80% der Kosten konnten so durch Spenden gedeckt werden.

Zur Einweihung kamen zahlreiche Überlebende der jugoslawischen Internierungslager mit Bischof Dr. Georg Moser. Viele von ihnen hatten dort 1946 bei Gottesdiensten mit Pater Gruber ein Gelöbnis abgelegt: Sollten sie diese Lager überleben, und wieder zu Hab und Gut kommen, so werden sie alljährlich wallfahren und eine Votivkirche stiften. Diese Versprechen der Überlebenden konnte nun hier eingelöst werden. Das Kirchenglöcklein, das von der Sakristei aus geläutet wird, stammt von der Kirche aus Filipowa. Ein Vertriebener hat es beim Besuch seiner alten Heimat mit hierher geschmuggelt. Die Kirche in Filipowa war abgerissen worden.

Seitdem wallfahren die Donauschwaben an Christi Himmelfahrt nach Bad Niedernau.

Die damals noch lebenden Schwestern im Jahre 2012- v.l.: Sr. Benildis Piller, Sr. Evangelista Meixner, Sr. Borgia Meixner, Sr. Mechthildis Eichinger, Sr. Heliodora Meixner. Foto: Kupferschmidt 2012

Im Jahr 2016 verabschiedeten sich die beiden letzten Armen Schulschwestern aus Bad Niedernau. Schwester Mechthildis war 95 Jahre alt, Schwester Borgia 97. Sie zogen ins Pflegeheim der Barmherzigen Schwestern vom Heiligen Vincenz von Paul nach Unterhaching bei München.

Quellen: Filipowaer Heimatbriefe Nr. 25 bis 31 und Filipowa- Bild einer donauschw. Gemeinde; Band 3/7/8 / Franz Schreiber / Georg Wildmann 1981 -1999

Das Kloster der Armen Schulschwestern in Filipowa

Die kurz gefasste Geschichte des Ordens der Armen Schulschwestern

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