Bad Niedernau

Die Geschichte des Niedernauer Bades
Von Dr. Ursula Hörnle, Badeärztin in Bad Niedernau [1980er Jahre]

 

Ansichtskarte aus der Zeit um 1900. Archiv Stiftung Arme Schulschwestern.

Im ganzen oberen Neckartal und seinen Nebentälern sind seit alters her kohlensäurehaltige Mineralquellen (sog. Säuerlinge) bekannt, die zu Heil- und Trinkzwecken genutzt wurden. Die Art der Wässer ist verschieden, je nachdem, welche Mineralien sie aus dem Gestein herausgelöst haben.
In Niedernau bestanden zeitweise mehr als sechs Quellen, die aber teilweise versandet sind. Heute existieren noch drei Quellen: Die Römerquelle, die Sanatoriumsquelle und die Karlsquelle.

Dieses Relief stellt den römischen Gott Apollo Granus dar. Es wurde 1836 bei der Wiederentdeckung der römischen Quelle ausgegraben.

Von 100 – 300 n.Chr. wurde eine Mineralquelle im Katzenbachtal ( heute Römerquelle genannt) von den Römern der nahegelegenen Stadt Sumelocenna als Quellheiligtum genutzt. 1836 fand der Besitzer des damaligen Badhotels einen verschütteten, gemauerten Brunnenschacht und in 12 m Tiefe ein 45 cm hohes Steinrelief des Brunnengottes Apollo Grannus. Dies war ein keltischer Gott, den die Römer mit ihrem Gott Apollo identifizierten. Längs des Rheines war er ein von den Römern viel verwendeter Heilgott. Das Wasser wurde getrunken, um die heilsame Kraft des Gottes aufzunehmen.
Im Brunnenschacht fanden sich außerdem ca. 300 röm. Münzen aus der Zeit von Vespasian (72n.Chr.) bis Valentinian (364 n.Chr.), die von den Römern als Dankopfer in den Brunnen geworfen wurden. Die Heilquelle blieb also noch nach dem Abzug der Römer um 260 in Benutzung, wurde dann aber von Erdmassen der nahegelegenen Marienschlucht verschüttet und geriet in Vergessenheit.

Im Mittelalter wurden die Niedernauer Quellen von der einheimischen Bevölkerung Rottenburgs und der umliegenden Dörfer genutzt und waren sehr geschätzt. Im Buch „ Der neue Wasserschatz“ schreibt der Autor Tabernaemontanus 1584 über Niedernau: „ Es hat dieser heylsame Sauerbrunn die Kraft und Eigenschaft dünn zu machen, zu erwärmen, zu reynigen, zu hey len und zu stercken.“

Ab 1489 befand sich hier ein Gasthaus und Badhaus, das bis 1800 mehrmals unter verschiedenen Besitzern erneuert wurde.

1804 kaufte der Arzt Dr. Franz Xaver Raidt den Besitz und brachte ihn zu einem bisher nicht erreichten Ansehen. Er errichtete ein Badhotel und fand mehrere zusätzliche Mineralquellen in seinem Areal. Im Badehaus wurde das erwärmte Quellwasser in Holzzubern als Kohlensäurebad verabreicht. Es entwickelte sich ein reger Hotel-und Badebetrieb mit vielen kulturellen und literarischen Aktivitäten. Mehrere Dichter der Romantik, Berthold Auerbach, G.Häcker und Ottilie Wildermuth kamen regelmäßig zur Sommerfrische und verfassten viele Gedichte über Niedernau.

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Franz Xaver Raidt ließ über der wiederentdeckten Quelle ein Quellhaus bauen und nannte sie Römerquelle.

1840 besuchte König Wilhelm I von Württemberg mit der königlichen Familie das Badehotel in Niedernau. Es war inzwischen hochgelobt und in höchsten Kreisen angesehen.

Kupferstich 19. Jh. „Niedernau“


1866 baute sein Enkel, Gustav Raidt, ein neues Sommerhaus für 25 Gäste. Wenige Jahre später, 1869, verbrachte auch König Wilhelm II. einige Zeit in Niedernau, das zum bekanntesten Badeort in Württemberg geworden war. So hatte auch der Stuttgarter Bankier Kilian von Steiner ein Sommerhaus für seinen Freundeskreis in der Nähe des Badhotels erbauen lassen. Der gute Ruf des Hotels und der Quellen blieb erhalten, so dass 1898 erneut König Wilhelm II. mit Familie sich hier erholte.

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Kupferstich nach einem Reprint, das das Original auf 1851 datiert. Das Attribut „Bad“ hat der Ort erst 1936 verliehen bekommen.
Das Badhotel um die Jahrhundertwende. Foto Archiv Stiftung Arme Schulschwestern

1914 endete der Bade- und Hotelbetrieb der Familie Raidt, das Badhotel wurde bis 1918 zum Lazarett.
1922 erwarb der württembergische Handwerkerverein das Haus und nutzte es als Erholungsheim.

1929 kaufte Thomas Heberle aus Stuttgart das Badhotel. Er errichtete eine gehobene Gastronomie mit vielen Festlichkeiten. Es entstand wieder ein reger Hotelbetrieb wie im 19. Jahrhundert, der ein Anziehungspunkt im weiten Umkreis war , aber mit dem Beginn des 2. Weltkrieges war auch diese Episode zu Ende.

Thomas Heberle warb mit der Römerquelle und mit dem Erkerzimmer. Er bot „60 behaglich und neuzeitlich eingerichtete Fremdenzimmer mit über 100 Betten, ausgedehnte Räumlichkeiten, Lese- und Schreibzimmer und einen Tanzsaal … das angegliederte Badehaus mit 10 gut ausgestatteten Kabinen gibt Gelegenheit, kurgemäß Schwefel-, Stahl- und Kohlensäurebäder zu nehmen.“

1947 -49 wurden die Hotelgebäude als Flüchtlingslager genutzt.

1953 Renovierung durch Thomas Heberle und Wiederinbetriebnahme der Badekuren.

1963 erwarb das Bischöfliche Ordinariat Rottenburg das leerstehende Anwesen des Badhotels und die Gebäude des Kilian v. Steiner und übertrug es 1964 der Kongregation der Armen Schulschwestern, die es zu einem Sanatorium für Erholungssuchende ausbaute.

-> Die Armen Schulschwestern und ihr Bad

Archiv Stiftung Arme Schulschwestern


1966 wurde als Ersatz für die versandeten Heilqellen eine neue Quelle – die Sanatoriumsquelle – erbohrt


1974-77 ließen die Armen Schulschwestern ein neues Kurmittelhaus mit Schwimmbad, sowie ein neues Gästehaus bauen.

Luftbild von 1979. Archiv Stiftung Arme Schulschwestern


1979 konnte die neue Gedächtniskapelle zu unserer lieben Frau eingeweiht werden.


1989 musste leider der stationäre Kurbetrieb aus Altersgründen eingestellt werden und nur noch der ambulante Badebetrieb wurde bis 2004 fortgeführt.

Sanatoriumsprospekt aus den 1980ern. Archiv Stiftung Arme Schulschwestern.

-> Lernen Sie die Oberin Schwester Benildis kennen!

-> Dr. Ursula Hörnle im Neckar-Donau-Wegekreuz

-> Besuchen Sie die Seite der Stadt Rottenburg zur Bad Niedernauer Geschichte

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