Die Deportation in die Sowjetunion

Tuschezeichnung von Sebastian Leicht: Deportation. Archiv Stiftung Arme Schulschwestern

Auszug aus dem Heimatbuch: Filipowa – Bild einer donauschwäbischen Gemeinde.

„Die zur Zwangsarbeit in der Sowjetunion bestimmten Jugoslawiendeutschen wurden um die Jahreswende von 1944 auf 1945 deportiert. Davon war vor allem die im Banat und in der Batschka und Baranja ansässige Bevölkerung betroffen. Die Ausführung der Aktion, die Erfassung der arbeitsfähjgen Jahrgange sowie der Transport zu den Verladebahnhöfen lag in den Händen der Partisanenkommandos. Die Musterung auf Arbeitstauglichkeit wurde in der Regel kurz vor dem Abtransport durch russische Kommissionen vorgenommen. Es ist annzunehmen, dass der Verschleppungsaktion ähnlich wie in Ungarn und Rumänien russische Forderungen nach Arbeitskräften für den Wiederaufbau in den durch Kriegsschäden betroffenen sowjetischen Gebieten zugrunde lagen.

Deportierte Frauen im Arbeitseinsatz unter Tag. Foto: Archiv Freundeskreis der Filipowaer

Das Schicksal der Deportierten aus Filipowa
Am 25. und 28. Dezember 1944 wurden 54 Männer (zwischen 17 und 44 Jahren) und 185 Frauen (zwischen 16 und 36 Jahren),insgesamt 239 Personen aus Filipowa in die Sowjetunion deportiert. Sie wurden zu Stalins Reparationssklaven. Der erste Aufruf kam am 25. Dezember 1944 . Der älteste Mann zählte 43, einige der jüngsten Männer waren 19 Jahre. Bei den Frauen gehörten die ältesten dem Jahrgang 1916, die jüngsten dem Jahrgang 1926 an. Am 27. Dezember mußten sie sich in einem langen Nachtmarsch nach Apatin (ca. 32 km) einfinden. Von dort ging Ihr Eisenbahntransportzug am 29.Dez. 1944 in einen bei Charkow gelegenen Ort Namens Isjum wo er wahrscheinlich am 21. Oder 22. Januar 1945 eintraf.


Die Letzten wurden im November 1949 entlassen. Es verstarben 28 Männer und 25 Frauen,somit 53 Personen, das sind 22 Prozent.

 

Deportiert: Anna Urich, Theresia Keller, Elisabeth Pertschy, Anna Pramberger. Foto: Archiv des Freundeskreises der Filipowaer

Einige Streiflichter aus den Berichten von Anna Urich und Anna Wildmann.
„Am 7. Februar 1945 wurden wir in den Wald geführt, unsere Arbeitsplätze wurden uns gezeigt. Über drei volle Stunden waren wir in dem weglosen weiten Schnee unterwegs … Wir hatten jetzt folgende Tagesordnung: Um 4 Uhr wurden wir geweckt. Waschgelegenheit gab es keine … Jetzt folgte der Appell mit der Einteilung der Tagesarbeit und der Zählung der vorhandenen Arbeitskräfte. Dann wurden uns ein halber Liter Suppe und 500 Gramm fast ungenießbaren schwarzen Brotes verabreicht, das war alles bis zum Abend. Um 5 Uhr war Abmarsch in den Wald … Von 12 Uhr bis 1 Uhr war Mittagspause … Um 4 Uhr nachmittags ertönte der heiß ersehnte Schuss für Feierabend … Gegen 8 Uhr sahen wir endlich wieder unser Kirchlein (Die Arbeitsgruppe war in einem aufgelassenen Kirchlein einquartiert) … Jetzt gab es einen halben Liter dünner Suppe, nach der wir uns auf unser Nachtlager zurückziehen konnten. Die Suppe wurde meist von Kraut, Gurken, ganz grob gemahlenem Mais und Haferkernen usw., aber ohne Fett gekocht.“
Im Wald mussten die Männer mit einfachen Handsägen große Bäume absägen. Als die Männer schon dazu zu schwach waren, kamen Frauen an ihre Stelle . … Die schweren Stämme mussten an verschiedenen Plätzen aufgestapelt werden. Das mussten die Frauen besorgen. Eines Abends, als wir auf dem Weg ins Lager waren, konnte der Wildmann Franz Vetter nicht mehr. Seine Füße hatten versagt. Man ließ ihn an einem kleinen Feuer liegen, um ihn mit einem Schlitten abzuholen. Doch für ihn kam jede Hilfe zu spät. Er starb alleine im Wald.“


„Am Karsamstag 1945 wurde die Auferstehungsfeier auf dem Heimweg zur Kirche nicht vergessen. Zuerst beteten wir gemeinsam den Kreuzweg, dann sangen wir verschiedene Fastenlieder. Beim Eintritt in die Kirche stimmten alle das „Großer Gott, wir loben Dich“ an. Kein Auge blieb trocken, eine halbe Stunde lang haben alle geweint. Der Gedanke an die Heimat machte uns dieses hohe Fest besonders schwer. Wir glaubten, es sei daheim alles halbwegs in bester Ordnung. Dabei wussten wir gar nicht, was die Angehörigen gerade in diesen Tagen alles mitmachen mussten …“


Es folgte ab Sommer 1945 die Arbeit beim Flugplatz Osnowo. „Im Jahre 1945 bis Ende 1947 sind in diesem Lager über 20 Filipowaer gestorben … Das Heimweh und die Sehnsucht nach den Lieben daheim hat bei vielen zu ihrem Tode beigetragen. Der Tod von Maria Schroft hat uns besonders hart getroffen. Ein Leutnant, der sich von ihr ‚beleidigt‘ fühlte, hat sie als Strafe in ein kleines Bretterhäuschen eingesperrt, in dem die nackten Toten bis zur Beerdigung lagen. Maria war damals 20 Jahre alt. Wir haben sie nicht mehr gesehen. Nach zwei oder drei Tagen haben wir erfahren, dass sie tot ist. Es war ein grausamer Tod.“


„Im Dezember 1946 wurde das Lager in Osnowo aufgelost, auch die Filipowaer kamen im Januar 1947 nach einem kurzen Intermezzo in einer Flugzeugfabrik in die Panzerfabrik von Charkow. „Die schwerste Arbeit, zu der ich in dieser Fabrik herangezogen wurde, war im Kesselhaus bei der Feuerung. Den ganzen Tag musste man Loren mit Schlacke, aus denen noch dauernd Gase herausströmten, hinausschieben und Kohlen wieder hereinbringen. 14 Frauen plagten .sich mit einer Lore ab… Da man drinnen nicht gut ausruhen konnte, legten wir uns bei kaltem Wetter draußen auf die warme Kohlenschlacke. Nach drei Wochen war ich krank … Viele mussten da ihr Leben lassen …“

Mädchen aus Filipowa im Lager Chekow 1948 v.l. Magdalena Haas, Anna Gauß, Katharina Lux


„Besonders gefürchtet war die Abteilung 110, wo Panzerräder geschliffen wurden. Eine einzige Person musste die Rader auf die einen Meter hohe Drehbank heben. In vierzehn Tagen war auch der stärkste Mann von uns erledigt… Da diese…. Abteilungen unter ständiger Aufsicht standen, brachten sie auch die meisten Toten, besonders bei den Männern.“


Im Hauptlager Charkow erhielt Anna Urich nach drei Jahren die erste Post über das Rote Kreuz, während sich auch die Lebensverhältnisse infolge Lohnauszahlung besserten. „In den ersten Briefen, die in das Lager kamen, waren nur traurige Nachrichten. Da erfuhren wir erst, was man mit unseren lieben Angehörigen und unserer Heimat gemacht hatte. Viele haben Todesnachrichten hinnehmen müssen … Dann kam die Zeit, dass wieder ein Krankentransport heimfahren durfte, ein Hoffnungsschimmer für die bis zum Skelett Abgemagerten. Für uns, die wir zurückbleiben mussten, gab es wieder Tage der Niedergeschlagenheit und Verzweiflung.“


Filipowaer, die schwerste Arbeit in den Kohlegruben verrichten mussten, unter ihnen zahlreiche Frauen, haben keine Berichte verfasst.
Erst im November 1949 wurden die letzten Filipowaer entlassen. Ihr Transport ging nach Frankfurt a.d. Oder und von hier in das Lager Hof-Moschendorf. Die alte Heimat war verloren und viele Angehörige waren in den Tito-Lagern zugrunde gegangen. Die Suche nach einer neuen Heimat stand bevor und eine völlige Ungewissheit über die Zukunft.

Quelle: Paul Mesli, Franz Schreiber, Georg Wildmann: Filipowa-Bild einer donauschw. Gemeinde, Band 6, S. 274-293

Am 18. November 1949 kann Mutter Anna Urich (dritte von rechts) ihre Tochter Anna Urich im Durchgangslager Hof-Moschendorf in die Arme schließen. Sie kehrte von der Deportation in die Sowjetunion heim.
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