Josef Franz Thiel war 13 Jahre alt, als am Ostersamstag 1944 innerhalb von fünf Minuten das Haus verlassen und kurz danach das Dorf Filipowa in der jugoslawischen Batschka geräumt werden musste. Seine Mutter holte die sechs Kinder zusammen und belud sich und die Kinder mit bereits vorbereiteten Rucksäcken mit Kleidern und Lebensmitteln. Josef Thiel wurde in die Speisekammer geschickt, einen Schinken zu holen. Er packte ihn in einen Mehlsack und suchte noch seinen kleinen Hund. Zu Fuß ging es mit allen Dorfbewohnern auf eine Wiese weit ab vor dem Ort, am nächsten Tag mit dem Zug ins Internierungslager Gakowa. Der Sack, der vom Schleifen auf dem Weg ein Loch bekommen hatte, ist heute in Bad Niedernau im Dokumentationszentrum verwahrt.
Als 13-Jähriger war er einer der Älteren unter den Kindern. Er war auch der älteste Sohn der Familie mit sechs Kindern. Der Vater war zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion deportiert. Die Mutter hatte die ganze Verantwortung und er tat alles daran, sie zu unterstützen. Doch erlebte er diese Zeit auch als Abenteuer. Listig fand er Tricks und Wege, aus dem Lager zu kommen und Lebensmittel zu beschaffen. Er sprach gut ungarisch und konnte sich so als ungarischer Bauernbub verstellen.
So kam es auch dazu, das er für einen Winter in einer Mühle als Mechanikergehilfe arbeitete, um dann schließlich den Entschluss zur Flucht mitsamt seiner Familie zu fassen.
Die Familie fand 1953 wieder mit dem Vater in Österreich zusammen, Josef machte Abitur und strebte ein Noviziat in St. Gabriel bei Wien an. Sein Ziel war es zunächst, Missionar zu werden – bis er einen berühmten Ethnologen kennen lernte und sich für dieses Fach interessierte. Lange Jahre verbrachte er in Afrika im Kongo, studierte zusätzlich Soziologie in Paris, wurde im Fach Ethnologie promoviert und habilitierte 1974 in Bonn. 1985 kam der Ruf als Direktor des Völkerkundemuseums nach Frankfurt. Als Religionsethnologe hat er sich einen großen Namen gemacht.
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