Vertreibung – Bericht Dr. Georg Wildmann

Vertreibung aus Filipowa

Dokumentation von Dr. Georg Wildmann

Vor Beginn des Jugoslawienkrieges 1941 wurden vier führende Persönlichkeiten der Ortsgruppe des
Schwäbisch-Deutschen Kulturbundes von den jugoslawischen Behörden als Geiseln in die Festung
Peterwardein verschleppt; in anderen Orten vergleichbarer Größe lag die Zahl der Geiseln meist höher.
Zur Entwaffnung jugoslawischer Soldaten durch die aufgestellte Bürgerwehr kam es nicht. Das
ungarische Militär konnte den Ort kampflos besetzen. Einige junge Burschen verließen im Herbst 1940
aus Begeisterung für das deutsche Soldatentum heimlich den Ort und stellten sich den deutschen Stellen
in Belgrad zur Verfügung. Die Waffen-SS-Aktionen der Jahre 1942, 1943 und 1944 führten zu
beachtlichen Gegensätzen und einigen Ausschreitungen zwischen der Gruppe derer, die der Aktion
Folge leisteten und der Gruppe jener, die sich ihr entzogen. Der Krieg säte also Zwietracht in das bislang
friedliche Dorfleben. Die Zahl der Filipowaer Burschen und Männer, die im Zweiten Weltkrieg beim
ungarischen und deutschen Militär Dienst taten, dürfte mit 900 angenommen werden. Von ihnen sind
165 gefallen, im Lazarett oder in der Gefangenschaft gestorben, während 67 als vermisst gelten. Der
militärische Einsatz forderte insgesamt 232 Opfer. Von den gefallenen oder im Lazarett verstorbenen
Soldaten haben nur zehn auf dem Gebiete des heutigen Jugoslawien ihre letzte Ruhestätte gefunden,
während in Russland, Finnland, Rumänien und Ungarn 107 begraben sind.

Als es in der Batschka zu gelegentlicher kleiner Partisanentätigkeit kam, die vornehmlich in
Brandanschlägen auf Hanftristen und Hanfaufbereitungsbetrieben bestand, wurde auch in Filipowa eine
Flurwache eingerichtet, die nachts Patrouillengänge im Hotterbereich zu unternehmen hatte. Es fand
aber keine Konfrontation mit Partisanen statt. Diese unternahmen lediglich im Jahre 1943 einen
nächtlichen Überfall auf die Eisenbahnstation, die am Rande des Ortes lag. Personen kamen dabei nicht
zu Schaden.

Als die Angriffskeile der Roten Armee am 4. Oktober 1944 über die Theiß vorstießen, erließ die
Gebietsführung des Volksbundes Aufrufe zur Flucht. Der „Kleinrichter“ trommelte den Aufruf noch am
selben Tage aus. Es konnten sich indes bloß 115 Familien bzw. 510 Personen zum Verlassen ihrer
Heimat entschließen. Mit 10 Prozent der Einwohnerschaft entfällt auf Filipowa die geringste Fluchtrate
des Bezirkes Hodschag. Die Evakuierungswilligen verließen zwischen 12. und 15. Oktober mit etwa
100 Pferdefuhrwerken und einigen Zugmaschinen den Ort.

Ihr Fluchtweg führte zunächst bis Baja. Hier setzte man über die Donau und erreichte über Fünfkirchen
schließlich den Plattensee. Der weitere Weg führte über Ödenburg nach Wiener Neustadt. Hier trennten
sich die Wege der Flüchtigen. Ein Teil gelangte über St. Pölten, Brünn und Zwittau nach Hohenstadt
und von da per Eisenbahn samt Fuhrwerken bis Breslau. Auch die andere Gruppe gelangte vom
mährischen Nikolsburg per Eisenbahn bis Anfang Dezember 1944 nach Breslau, um hier verteilt zu
werden. Sie alle traten Anfang Januar 1945 von neuem die Flucht vor der herannahenden Front an. Viele
erlebten das Kriegsende im Egerland. Ein Teil der Filipowaer wurde von den Amerikanern den Russen,
und von diesen den Tschechen überstellt, die sie bis Herbst 1946 als Zwangsarbeiter in der
Landwirtschaft einsetzten, bevor man sie nach Bayern oder Sachsen abschob.

Von den Einwohnern Filipowas dürften sich Mitte Oktober etwa 3800 Personen im Ort selbst
aufgehalten haben. Da Filipowa an keiner befestigten Straße lag, zogen weder zurückgehende deutsche
Einheiten noch vorrückende russische Fronteinheiten und Partisanen durch den Ort. Das dürfte der
Hauptgrund gewesen sein, dass es im Verhältnis zu anderen Gemeinden wenig zu Vergewaltigungen
von Frauen und zu Plünderungen kam. Am 21. Oktober zogen zehn Partisanen in Filipowa ein. Da der
amtierende Bürgermeister Georg Eichinger in den letzten Wochen vor dem Einmarsch der Partisanen
zum deutschen Militär eingerückt war, gab es keine ordentliche Gemeindevorstehung. Daher rief
Altbürgermeister Martin Pertschi die vormaligen „Geschworenen“ (Gemeinderäte) zusammen. Diese
trugen das Amt des Gemeindevorstehers (Precednik) Josef Held an, der im Ersten Weltkrieg als
Freiwilliger auf serbischer Seite gekämpft hatte. Polizeikommandant wurde Djoka Lazic, der in den
dreißiger Jahren einige Zeit Polizist in Filipowa gewesen war. In Filipowa wurde aber kein „Volksbefreiungsausschuß“ (Narodno Oslobodilacki Odbor, abgek. NOO), sondern nur ein „Ortsausschuß“ (Mesni Odbor) errichtet.

Die Gemeindeverwaltung war fast völlig machtlos gegenüber kleinen Trupps durchziehender Partisanen
und Russen. Zwischen dem 26. Oktober und dem 8. November verging fast kein Tag, an dem nicht
kleine Trupps russischer Soldaten in das Dorf gekommen wären, um den Bauern ihre Pferde
wegzunehmen und ansonsten geschlachtete Schweine, Wein, Schnaps und Uhren mitzunehmen und
gelegentlich auch nach Frauen und Mädchen zu suchen. Es war eine Zeit der Angst.

Mit dem 28. Oktober 1944 begann die Zeit der Robot. Das bedeutete, dass die Arbeitsfähigen zwischen
dem 14. und 60. Lebensjahr stets gewärtig sein mussten, zu Arbeitsgruppen zusammengeholt und im
Bereich des Ortes zur Einbringung der stehengebliebenen Ernte oder zu Arbeiten im militärischen
Bereich periodisch buchstäblich „zusammengetrommelt“ zu werden. Die erste Großrobot galt der
Instandsetzung des Feldflugplatzes auf der etwa fünf Kilometer in Richtung Hodschag gelegenen
„Heuwiese“. Als die Filipowaer infolge eines sprachlich bedingten Missverständnisses am 2. November
nicht zur Robot auf der Heuwiese erschienen, wurde der 38jährige Landwirt Franz König, der völlig
unschuldig war, vom beaufsichtigenden russischen Soldaten und den Partisanen dafür verantwortlich
gemacht, von einem Militärgericht in kurzem Prozess der Sabotage für schuldig befunden, nach Sombor
in das berüchtigte Kronic-Palais überstellt und im Dezember 1944 hingerichtet. Mit ihm starb auch
Melchior Leopold, der in seinem Elternhaus zurückgebliebene 16jährige Sohn des Ortsgruppenleiters
des „Volksbundes der Deutschen in Ungarn“, der offenbar das Opfer einer Art „Sippenhaft“ wurde.

Ebenfalls noch im November 1944 wurde der 47jährige Landwirt Martin Rapp von Partisanen
verschleppt und vermutlich noch im selben Monat in Sombor liquidiert. Rapp war ein schlichter,
unpolitischer Dorfbewohner gewesen. Kein Filipowaer konnte sich vorstellen, was der unglückliche
Mann verbrochen haben sollte.

Am 5. November mussten alle Radioapparate, Fahrräder, Motorräder und Feuerwehrmonturen
abgeliefert werden. Am 10. November wurde die 36jährige Bäuerin Eva Eichinger vor dem Pfarrhaus
„standrechtlich“ erschossen. In der vorangegangenen Nacht war ein junger Partisanenoffizier bei ihr
einquartiert gewesen. Anderntags wurde bei ihr eine Hausdurchsuchung vorgenommen, bei der
angeblich einige Gewehrpatronen gefunden wurden. Wahrscheinlich war es die Rache dafür, dass sie
dem Offizier nicht zu Willen gewesen war.

Am 25. November 1944 verkündete der Ausrufer im Dorf, alle Männer und Burschen zwischen 16 und
60 Jahren sollten sich im Gemeindeamt melden. Bis gegen 9 Uhr fanden sich etwa 300 von ihnen beim
Gemeindehaus ein. Schon am Vortag war eine Abteilung Partisanen, die angeblich der „Krajiska
brigada“ angehörte, in das Dorf gekommen. Die schwerbewaffneten Partisanen und Partisaninnen
wählten 212 Männer und Burschen willkürlich aus, schrieben sie auf eine Liste und trieben sie dann in
Richtung Hodschag auf einen Sallasch (Einzelgehöft), der Josef Roth, dem letzten Bürgermeister von
Hodschag gehörte. Berichte von Augenzeugen, die später bekannt wurden, ergeben, dass viele von den
Männern und Burschen zuerst gefoltert wurden, bevor sie sich ausziehen mussten, um dann zu den
Gruben getrieben zu werden, in denen vormals Fliegerabwehrgeschütze gestanden waren. Die meist
betenden Männer wurden erstochen oder erschossen, hierauf in die Gruben geworfen und dürftig mit
Erde bedeckt.

Es gibt einen gutbezeugten Bericht, wonach sich das aus altgedienten Partisanen bestehende Kommando
vor seinem Einsatz in Filipowa mit 50 Wojwodiner Serben, Bunjewatzen, Slowaken und Ungarn
verstärkt hatte. Die Wojwodiner weigerten sich, als man auf dem Roth-Sallasch angekommen war, bei
der Folterung und beabsichtigten Exekution der Filipowaer Männer mitzumachen. Eine Rückfrage beim
Kommando in Hodschag ergab den Befehl, die Dienstverweigerer seien sofort abzuziehen. Soweit uns
ersichtlich, fanden in der Batschka nach dem 25. November 1944 keine Massenerschießungen von
Donauschwaben mehr statt.

Die ermordeten Filipowaer stammen aus sämtlichen im Ort vertretenen beruflichen und sozialen
Gruppen; 35 von ihnen waren Jugendliche zwischen 16 und 19 Jahren. Unter den 112 Männern zwischen
zwanzig und fünfzig Jahren fanden sich mehrere Väter von Familien mit zehn und mehr Kindern. Da
auch der Gemeindearzt Dr. Franz Dickmann, der aus Filipowa stammende Arzt Dr. Johann Engert und
auch der Apotheker Magister Ludwig Vogl zu den Opfern zählten, blieb der Ort fortab ohne
fachmedizinische Versorgung. Die Ermordung dieser Männer stellt einen reinen Terrorakt dar, da von
keinem der Ermordeten gesagt werden kann, er habe sich etwas gegen den jugoslawischen Staat oder
seine Bürger zuschulden kommen lassen.

Am Weihnachtstag 1944 wurden 24 Männer zwischen 17 und 45 Jahren sowie 85 Frauen zwischen 18
und 30 Jahren, insgesamt also 109 Personen, zusammengeholt und nach Apatin überstellt; das gleiche
geschah am 27. Dezember mit weiteren 30 Männern und 100 Frauen. Beide Gruppen, insgesamt 239
Personen, wurden Anfang Januar einwaggoniert und in die Ukraine zur Zwangsarbeit deportiert. Die
erste Gruppe kam nach Iwanowka bei Charkow in das Lager 1551, die zweite in das Lager BakowaAntrazit Nr.1201 im Gebiet von Woroschilowgrad. Die erste Gruppe musste Wald- und Fabrikarbeit leisten, während die zweite in den Kohlengruben und auf den Kolchosen eingesetzt wurde. Von den 239 Deportierten verstarben bis 1949 28 Männer und 25 Frauen, insgesamt also 53 Personen bzw. 22 Prozent, hauptsächlich an Hunger und Entkräftung. Die letzten von ihnen wurden im November 1949
nach Frankfurt a. d. Oder transportiert und hier entlassen.

Auch in den ersten drei Monaten des Jahres 1945 wurden in Filipowa Arbeitsgruppen ausgehoben und
in die Arbeitslager umliegender Batschkaer Gemeinden verbracht. So ging um den 20. Januar 1945 eine
Gruppe von Männern und Burschen in das Bezirksarbeitslager Hodschag. Um den 10. Februar wurden
an die 20 Mann nach Karawukowa und 21 Mann nach Batsch Brestowatz abkommandiert. Am 12. März
gingen an die 200 Filipowaer ab dem 14. Lebensjahr, zum Großteil Frauen und Mädchen, auf
Zwangsarbeit und wurden vom Zentrallager Sombor aus auf Arbeitslager in der Nordwestbatschka
aufgeteilt. Sie alle waren bei der zwangsweisen Totalinternierung aller Filipowaer nicht mehr im Dorf.
Am 14. März 1945 wurden rund 1200 Donauschwaben aus der Gemeinde Karawukowa und am 16.
sowie 17. März rund 2500 Donauschwaben aus Batsch-Sentiwan nach Filipowa getrieben und hier in
die Häuser eingewiesen. Am Karsamstag, dem 31. März 1945, umzingelten etwa 200 Partisanen das
Dorf und trieben innerhalb zweier Stunden alle deutschen Ortsbewohner und die bereits Vertriebenen
aus Karawukowa und Batsch-Sentiwan auf die Hutweide. Hier wurden etwa 500 Arbeitsfähige
herausgesucht und in das Arbeitslager Filipowa eingewiesen, das aus einigen größeren Häusern bestand.
Sie mussten in der Folge die Häuser ausräumen und das Vieh versorgen. Die übrigen rund 7000
Personen, meist Alte, Arbeitsunfähige und Kranke sowie Mütter mit Kindern unter zwei Jahren, mussten
den Karsamstag und den Ostersonntag 1945, also zwei Tage und zwei Nächte, auf der Straße und in den
Höfen der Häuser verbringen, ehe sie am Ostermontag an die Bahnstation getrieben und mit
Güterwaggons in das eben errichtete Gebietskonzentrationslager Gakowa verbracht wurden.

Bei der Einwaggonierung am 2. April 1945 wurden drei Filipowaer erschossen. Jakob Ament (Jg. 1881)
schlich sich heimlich nach Hause, um sich mit dem Nötigsten zu versorgen. Einer der Partisanen merkte
es und schoss ihn sofort nieder. Ähnlich erging es dem Landwirt Franz Pertschy (Jg. 1903). Er wollte
sich aus der Kolonne der Zusammengetriebenen heimlich entfernen, wurde aber dabei gesehen und
sofort erschossen. Magdalena Hoffmann, geb. Eichinger, stand im 90. Lebensjahr und konnte das Haus,
in dem ein Teil der Ausgetriebenen übernachtet hatte, nicht schnell genug verlassen. Sie wurde auf der
Hausstiege durch drei Schüsse niedergestreckt.

Den Armen Schulschwestern unserer Lieben Frau, die in Filipowa ein Kloster besaßen und einen
Großteil der Volksschulmädchen unterrichtet hatten, gelang es, da sie, gleich allen Ordensfrauen in der
Batschka, nicht ins Lager mussten, im Kloster ein Notspital zu errichten, das 66 Tage hindurch von den
Partisanen toleriert wurde und bis zu 70 Kranke gleichzeitig beherbergte. Am 4. Juni wurde das
Notspital plötzlich aufgelöst. Die Kranken wurden ohne Rücksicht auf ihren Zustand nach Gakowa
überführt.

Als der Haupttransport vom 2. April 1945 aus Filipowa in Gakowa eintraf, wurden sofort 50 Männer
und Burschen ausgesondert. Meist handelte es sich um Männer, die über sechzig Jahre alt waren. Unter
ihnen befanden sich auch 17 Filipowaer. Man verbrachte sie nach Sombor, von wo am 15. April 1945 ein
Transport von 428 Mann aus der Batschka nach Syrmisch Mitrowitz (Sremska Mitrovica) abgefertigt
wurde. Bis Neusatz ging es in Güterwaggons, die übrige Strecke wurden die Männer ohne Rücksicht
auf Alter und Schuhwerk zu Fuß getrieben. Wer zehn, zwanzig Schritte zurückblieb, wurde von den
Partisanen totgeschlagen oder erschossen. Von Mitrowitz aus wurden die Männer zur Wiederherstellung
der zerstörten Eisenbahnlinie Belgrad-Slawonisch Brod in Marsch gesetzt – dieser Eisenbahnbau gehört
zu den schrecklichsten Kapiteln der donauschwäbischen Passion. In Jankovci, in der Nähe von
Vinkovci, trafen die Partisanen „Vergeltungsmaßnahmen“, wie sie ihre mutwilligen Mordtaten nannten.
Sie holten wahllos Opfer aus den Zwangsarbeitern, diese mussten sich ihr Grab schaufeln und wurden
dann hineingeschossen. Am 7. Mai 1945 fiel dieser Mordaktion der 15jährige Filipowaer Josef Keller
zum Opfer. Auch Peter Garatva, Vater von sieben Kindern, Großvater und Urgroßvater, wurde mit
seinen 77 Jahren nach Jankovci verschleppt. Als er infolge der schweren Arbeit und des Hungers völlig
erschöpft war, kam er in das berüchtigte Lager nach Mitrowitz (Sremska Mitrovica). Hier wurde er nach
Bericht eines Kerneier Augenzeugen von Partisanen erschlagen.

Ende Juni bis Mitte Oktober 1945 diente ein Teil der Filipowaer Häuser in der Böhmengasse auch als
Bezirkskonzentrationslager für die nicht zum Arbeitseinsatz verwendeten Deutschen hauptsächlich der
Gemeinden des Hodschager Bezirkes. So kamen am 18. Juni die Hodschager, am 22. Juni die
Parabutscher und am 26. Juni die Miletitscher nach Filipowa. Es waren aber unter den 1500 Insassen
des Lagers auch Deutsche aus Batsch, Deronje, Wajska und Sonta. Mangels Medikamenten und
ärztlicher Betreuung traten Malaria und Ruhr in epidemischer Form auf, so dass bis zu der am 17.
Oktober 1945 durchgeführten Überführung der Insassen des Lagers nach Gakowa und Kruschiwl etwa
250 Personen verstarben, innerhalb von vier Monaten also nahezu 17 Prozent der Insassen!

Das Arbeitslager Filipowa hatte schon im Januar 1945 mit der Internierung Filipowaer Männer in der
Neuen Volksschule seinen Anfang genommen. Es wurde bei der Vertreibung auf etwa 600 Arbeitsleute,
Männer und Frauen hauptsächlich aus Filipowa, zudem aber auch aus Karawukowo und Sentiwan,
erweitert. Eine Gruppe musste in der Mühle und in den Hanffabriken arbeiten, eine weitere war mit der
Räumung der Häuser betraut, wobei Magazine für die Nahrungsmittel, die Möbel und die Wäsche, sowie
kollektive Stallungen für die Rinder, Pferde und das Kleinvieh eingerichtet werden mussten, während
eine dritte Gruppe mit der Bearbeitung der Felder des Filipowaer Hotters beauftragt wurde, womit
gewissermaßen schon die Kolchosenwirtschaft eingeleitet war. Diese wirtschaftliche Tätigkeit
unterstand ab Kriegsende der Uprava Narodnih Dobara (Verwaltung volkseigener Güter). Ein Teil der
Kleider, der Wäsche und Haushaltsgeräte wurde zu billigen Preisen an die Magyaren und Slawen der
umliegenden Dörfer verkauft. So entwickelte sich für einige Wochen eine Verramschung
donauschwäbischen Besitzes, den der Volksmund bald nur mehr „Hitler-Markt“ – „Hitler-Vasar“ (HitlerWaschar) – nannte.

Daß die Zwangsarbeiter im Grunde rechtlose Sklaven waren, verdeutlicht eine Episode aus dem
Arbeitslager Filipowa. Über Nacht waren in dem Haus, in dem man sämtliche Kaninchen
zusammengeholt hatte, mehr als hundert Tiere eingegangen. Die Umstände deuten darauf hin, dass sie
versehentlich nasses Gras zu fressen bekommen hatten, so dass die Tiere an Blähungen eingingen. Eine
aus Hodschag angereiste Kommission des dortigen Militärgerichtes – ihr Wortführer war ein
deutschsprechender Jude namens Obrad – ging von der Annahme der Sabotage aus und sah in den
Lagerkutschern die Hauptverdächtigen. Man unterzog jeden einzelnen einem strengen Verhör. Da sich
alle unschuldig wussten und kein Saboteur namhaft gemacht werden konnte, wählte die Kommission
aus der Lagerbelegschaft Stefan Eichinger (Jg. 1920), Valentin Gauß (Jg. 1913), beide aus Filipowa,
ferner den aus Batsch-Sentiwan stammenden Lagerkoch und einen weiteren Mann aus und ließ sie noch
in derselben Nacht (17. Juni 1945) erschießen.

Anfang Juli 1945 verunglückte der Gemeindevorsteher Josef Held mit dem von einem Filipowaer
Schlosser gebastelten Motorwagen und erlag einige Tage später im Krankenhaus Sombor seinen
Verletzungen. Seine Amtszeit hatte acht Monate gedauert und seinen Landsleuten keine Vorteile
gebracht. Was ihn bewogen haben mag, durch seine Unterschrift die völlig haltlose Anschuldigung zu bestätigen, die 212 im November 1944 ermordeten Filipowaer seien durchwegs „Faschisten“ gewesen,
wird wohl für immer ein Rätsel bleiben.

Ab November 1945 wurde sporadisch damit begonnen, sogenannte Kolonisten in die leerstehenden
Häuser einzuweisen. Die planmäßige Besiedlung Filipowas mit Serben aus der Lika setzte 1946 ein. Im
Zuge der neuen kollektivistischen Staatsdoktrin wurden die „Litschaner“ verhalten, sich im Frühjahr
1946 in acht Kolchosen zusammenzuschließen. Landwirtschaftlich erfahrene Lagerinsassen mussten die
Neuankömmlinge mit der intensiven Form der pannonischen Landwirtschaft vertraut machen. Nachdem
dies einigermaßen geschehen war, wurden die Lagerarbeiter gruppenweise nach Gakowa und Kruschiwl
verbracht und das Filipowaer Arbeitslager aufgelöst. Ende 1946 hatte das alte Filipowa somit aufgehört
zu bestehen.

Anfang Juni 1948 wurde Pfarrer Peter Müller, der mit seinen vormaligen Pfarrangehörigen in regem
Briefverkehr stand, verhaftet und zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt. Im Zuge der Verschärfung
der antireligiösen Politik des Regimes mussten im August 1948 auch die Schulschwestern ihr Kloster
räumen. Sie und die nach Auflösung der Lager und nach Ableistung der dreijährigen Arbeits-Zwangsverpflichtung etwa 25 in Filipowa lebenden vormaligen deutschen Ortsbewohner verließen Jugoslawien bis 1957.

Hauptsächlich in den beiden Todeslagern Gakowa und Kruschiwl sind zwischen dem 2. April 1945 und
dem 1. März 1948 833 Personen aus Filipowa verhungert oder an Krankheiten verstorben. Opfer der
Bettelgänge wurden vier Dorfbewohner: Theresia Hönich (Jg. 1921), Anna Welsch (Jg. 1922), Anna
Schmidt (Jg. 1913) und Josef Leicht (Jg. 1893). Sie wurden von den Wachen gefasst, als sie mit den
erbettelten Lebensmitteln in das Lager zurück gelangen wollten. Sie wurden in den berüchtigten Keller
geworfen und derart gefoltert, daß sie kurz nach ihrer Entlassung aus dem Keller verstarben. Martin
Rack wurde beim Versuch, das Lager zu verlassen, um Kleidungsstücke für Lebensmittel einzutauschen,
ertappt und in das Kommando gebracht. Der Vater von fünf Kindern floh aus der Lagerkommandantur
und wurde auf offener Straße niedergeschossen. Elisabeth Wurtzky (Jg. 1885) besuchte am 5. Januar
1946 verbotenerweise die Messe in der Gakowaer Kirche. Partisanen drangen während des
Gottesdienstes in die Kirche ein und verhafteten die Anwesenden. Die 61jährige Frau wurde unmittelbar
darauf zu einem der Massengräber geführt und hingerichtet.

Nebst den 833 Lageropfern und den 53 Opfern der Russlandverschleppung starben auf der Flucht vor
der anrückenden Roten Armee, ferner auf der Flucht aus den Lagern nach Ungarn, Österreich und
Deutschland sowie an anderen unmittelbaren Fluchtfolgen bis 1948 57 Personen. An verschiedenen
Orten erschossen oder erschlagen wurden 24 Personen; zwei Zivilpersonen gelten als vermisst.
Zusammen mit den 212 Opfern des 25. November 1944 und den gefallenen sowie vermissten Soldaten
verlor die Gemeinde insgesamt 1413 Personen, das sind nahezu 27 Prozent der Bewohnerschaft.

Rechnet man 900 Soldaten, 510 Ausgewanderte, 240 Russlandverschleppte und 220 Ermordete weg, so
dürften mit 31. März 1945 an die 3400 bis 3500 Bewohner von Filipowa in Lagern interniert gewesen
sein. Rechnet man zu den 833 Lageropfern noch etliche der Erschlagenen und Fluchtopfer hinzu, darf
man an die 860 Personen als Opfer der Lagerinternierung ansehen. Folglich verstarben in den Lagern
rund 25 Prozent der etwa 3500 Internierten. Rechnet man für Gakowa und Kruschiwl mit etwa 3000
Internierten aus Filipowa und mit etwa 840 Opfern, dann beträgt die Verlustrate in diesen beiden
Todeslagern rund 28 Prozent. Im Herbst 1944 kamen schätzungsweise 3800 Filipowaer unter die
Herrschaft der Partisanen. Von diesen wurden ermordet oder verstarben in den Lagern, die Opfer der
Russlanddeportation eingeschlossen, 1118 Personen. Die Verlustrate der Daheimgebliebenen beträgt
demnach 31 Prozent.

Von den heimatvertriebenen und geflüchteten Filipowaern wurden gut eintausend in Österreich, gut
zweitausend in Deutschland, einige hundert in den USA und Kanada sesshaft. In Ungarn verblieb ein
schwaches Hundert. Es besteht seit 1965 eine organisierte Heimatortsgemeinschaft und eine
länderübergreifende Zusammenarbeit zwischen den hauptsächlichen Siedlungszentren Wien, Linz,
München, Stuttgart und der Pfalz.

Verfasser: Georg Wildmann und Josef Pertschi

Veröffentlicht in: Arbeitskreis Dokumentation, Leidensweg der Deutschen im kommunistischen
Jugoslawien, Band I, Ortsberichte, München/Sindelfingen 1991, 473-480. Wortident auch in: Verlag
Universitas, Weißbuch der Deutschen aus Jugoslawien, München 1992, 473-480.


Quellen:


Anton Zollitsch, Filipowa. Entstehen, Wachsen und Vergehen einer donau-schwäbischen Gemeinde in
der Batschka. Pannonia, Freilassing 1957.

Paul Mesli/Franz Schreiber/Georg Wildmann, Filipowa – Bild einer donauschwäbischen Gemeinde.
Sechster Band: Kriegs- und Lageropfer, Eigenverlag, Wien 1985. Siehe auch bei denselben Autoren
Siebter Band: Filipowa weltweit, Wien 1992, S. 25-44; sowie Achter Band: Filipowa 1914-1944, Wien
1999, 265-296.

Erlebnisberichte mehrerer Autoren, veröffentlicht in den seit 1961 laufend erscheinenden „Filipowaer
Heimatbriefe“. Herausgeber: Verein der Filipowaer Ortsgemeinschaft in Österreich, Steingasse 25, A-1030 Wien.

Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte (Hrsg.) Dokumentation der
Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa, Bd. V: Das Schicksal der Deutschen in Jugoslawien
(abgek.: Dok. V), 261-273, 319-337, 414-441, 626-633.

Unveröffentl. Berichte: Eva Eichinger, geb. Pramberger (Jg. 1911); Anna Perts

 

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