Wegbegleiter der Ordensschwestern – Prälat Georg Kopp

Eine lange Geschichte der tiefen inneren Verbundenheit.

Prälat Georg Kopp, Domdekan an der Rottenburger Bischofskirche St. Martin, war den Armen Schulschwestern Unserer Lieben Frau in Bad Niedernau eng verbunden. Als er im April 1967 als Regens an das Rottenburger Priesterseminar berufen wurde – in einer sehr schwierigen und konfliktbeladenen Situation –, da trat er seinen Dienst dort nicht sofort an, sondern zog sich für ein halbes Jahr zu den Schwestern in das damals noch selbstständige Dorf am Oberen Neckar zurück, um sich auf die Herausforderungen der neuen Aufgabe gründlich vorzubereiten.
Seit dieser Zeit blieb Georg Kopp den Schwestern treu. Die Gottesdiensttradition, die er 1967 während seiner Bad Niedernauer Auszeit begonnen hatte, setzte er ab 1971 in seinen späteren Ämtern als Personalreferent und als Leiter des Seelsorgereferats der Diözese Rottenburg(-Stuttgart) fort. Sofern es ihm seine dienstlichen Verpflichtungen erlaubten, fuhr er jeden Morgen vor Dienstbeginn nach Bad Niedernau und feierte mit den Schwestern die Eucharistie. Auch nach seiner Emeritierung im Jahr 2004 behielt er diese Tradition bei. Etwa 15.000 Gottesdienste hat er in den insgesamt 46 Jahren in der Hauskapelle der Armen Schulschwestern gefeiert. Am 23. September 2016 feierte er mit den beiden letzten noch lebenden Schwestern, Sr. M. Mechtildis Eichinger (1918–2020) und Sr. M. Borgia Meixner (1920–2017), einen letzten Gottesdienst, bevor diese Bad Niedernau endgültig verließen, um in ein Pflegeheim in München umzusiedeln.
Es war wohl die tiefe innere Verbundenheit mit Menschen, die vom Schicksal hart geprüft waren, mit „den Armen und Verfolgten aller Art“, wie es das Zweite Vatikanische Konzil (1962–1965) formuliert hatte, die Georg Kopp auf seinem gemeinsamen Weg mit den Schwestern leitete. Diese waren als Donauschwäbinnen und als Ordensleute am Ende des Zweiten Weltkriegs in Ungarn und im ehemaligen Jugoslawien, wo sie beheimatet waren, unter teilweise fürchterlichen Umständen aus ihren Schulen und Klöstern vertrieben worden. Derartige Lebenswege rührten in Georg Kopp eine Saite der Empathie und Nähe an, die unlösbar zu seiner Persönlichkeit gehört und auch stets ein inneres Leitmotiv seines Wirkens als Priester war und ist: „Was den Juden während der Nazi-Zeit angetan wurde, hat dazu beigetragen, dass ich den Weg zum Priesterberuf eingeschlagen habe.“ Das sollte er in einer Ansprache bei der Feier seines 50jährigen Priesterjubiläums im Jahr 2006 sagen.

Stationen auf dem Lebensweg.

Als Georg Kopp sich zur Vorbereitung auf seine Aufgabe als Regens nach Bad Niedernau zurückzog, war er bereits elf Jahre Priester. Am 16. Juni 1956 empfing er im Rottenburger St.-Martins-Dom von Bischof Dr. Carl Joseph Leiprecht die Priesterweihe. 30 Männer zählte sein Weihejahrgang. Bischof Leiprecht, den späteren Konzilsbischof, der in seiner Diözese konsequent die pastoralen Impulse des Konzils umsetzen sollte und diese dadurch bis heute geprägt hat, verehrt Georg Kopp bis zum heutigen Tag. Umgekehrt genoss auch er das Vertrauen seines Bischofs, der ihn bereits als jungen Priester mit wichtigen Aufgaben betraute.
Georg Anton Kopp wurde am 21. September 1921 als fünftes von sieben Kindern des Ehepaars Anton Kopp und Pauline, geb. Rapp, in dem Schwarzwalddorf Bittelbronn bei Horb geboren. Die äußeren Umstände seiner Kindheit und Jugend waren geprägt durch die finstere Zeit des Nationalsozialismus und später der Wirren des zu Ende gehenden Zweiten Weltkriegs, die auch sein Heimatdorf nicht verschonten; ebenso durch die spätere Besatzung durch französische Truppen. In Bittelbronn selbst konnten die Nationalsozialisten allerdings kaum Fuß fassen – wohl vor allem dank des mutigen Widerstands des Gemeindepfarrers –, und auch die Familie Kopp war durch ihre tiefe und selbstverständlich gelebte Religiosität gefeit gegen die Ideologie der braunen Machthaber. Anton Kopp scheute sich nicht, ihnen offen die Stirn zu bieten.
Nach der Grundschulzeit eröffnete sich für Georg die Möglichkeit, zunächst die Oberschule in Freudenstadt und später nach einer Zwischenstation im Rottenburger Bischöflichen Knabenkonvikt Martinihaus das Gymnasialkonvikt in Rottweil zu besuchen, wo er 1951 das Abitur ablegte.
Während seines Studiums an der Katholisch-Theologischen Fakultät in Tübingen und als Priesteramtskandidat im dortigen Theologenkonvikt Wilhelmsstift kam er mit einer Theologie in Berührung, die in der Tradition der „Katholischen Tübinger Schule“ stand und schon damals durch die Ergebnisse der Historisch-kritischen Forschung geprägt war. Sie sollte sein eigenes theologisches Denken nachhaltig prägen. In zwei Münchener Auswärtssemestern studierte er außerdem Geschichte und Politikwissenschaften. Nach dem Tübinger Abschlussexamen trat er im Herbst 1955 ins Rottenburger Priesterseminar ein.
Als Vikar tat Georg Kopp zunächst in Esslingen und in Tuttlingen mit einem starken Engagement in der kirchlichen Jugendarbeit Dienst, bevor ihn Bischof Carl Joseph Leiprecht im Mai 1960 zum Diözesanjugend-Seelsorger für die weibliche Jugend ernannte. Doch schon bald – im Mai 1961 – berief er ihn als Spiritual an das Tübinger Wilhelmsstift. Mit 29 Jahren war Georg Kopp der jüngste Spiritual in den deutschen Diözesen, und bereits hier zeigte sich, was ihm Weggefährten auch für alle weiteren Stationen seines beruflichen Wirkens bestätigten: die Fähigkeit zum „Paradigmenwechsel“ gegenüber einer noch stark vorkonziliaren Atmosphäre, den Mut, neue Wege zu gehen und auch mit einer gewissen Hartnäckigkeit zu verfolgen. Die die Theologiestudenten in Tübingen, später die Seminaristen im Rottenburger Priesterseminar und in seinem weiteren Werdegang Mitbrüder, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und viele andere Menschen haben dies als ermutigend und befreiend erlebt.
Im Jahr 1967, als sich die 1968er-Auseinandersetzungen deutlich ankündigten und sich auch an der Tübinger Katholisch-Theologischen Fakultät und im Rottenburger Priesterseminar auswirkten, berief Bischof Leiprecht Georg Kopp als Regens nach Rottenburg. Es sollte zunächst heftiger und für ihn auch sehr belastender Konflikte bedürfen, bis Vertrauen gewachsen war und er den Alumnen im Seminar mit auf den Weg geben konnte, was ihn selber zuinnerst geprägt hat: „weltoffene Katholizität“, wie sie in der Katholischen Tübinger Schule bereits seit 100 Jahren Tradition hatte.
Verantwortungsvolle Aufgaben im Rottenburger Domkapitel.

Die Bischofsstadt Rottenburg sollte auch künftig der Ort bleiben, an dem Georg Kopp in wechselnde Verantwortungspositionen berufen wurde. Im November 1971 ernannte Bischof Leiprecht ihn zum Ordinariatsrat und übertrug ihm zunächst die Aufgabe der Förderung der Geistlichen Berufe und später zusätzlich die Leitung des Personalreferats. Schon während seiner Zeit als Spiritual in Tübingen war in Georg Kopp die Überzeugung gewachsen, dass auch jungen Nachwuchstheologen, die nicht den Priesterberuf anstrebten, Möglichkeiten für einen pastoralen Dienst eröffnet werden müssten und dass dies auch für Theologinnen gelten sollte. Dies hat er in der neuen Verantwortung als Personalreferent wieder aufgegriffen und konsequent vorangebracht. Gemeinsam mit einigen anderen Diözesen entwickelte er das Berufsbild des Pastoralreferenten bzw. der Pastoralreferentin; 1978 fand in Rottenburg die erste Beauftragungsfeier statt. Die Deutsche Bischofskonferenz bestätigte diesen Weg im Jahr 1987 durch ein offizielles Statut.
Doch Georg Kopps Pläne reichten noch weiter: Grundsätzlich sollten junge Menschen beraten und darin begleitet werden, einen Berufsweg in der Kirche zu finden, der ihren persönlichen Begabungen und Charismen entspricht. Dafür gründete er bereits 1971 die Diözesanstelle „Berufe der Kirche“.
Für seine Amtsführung als Personalverantwortlicher der Diözese wird Georg Kopp von vielen bestätigt, dass er in noch so schwierigen Situationen nie jemanden habe fallen lassen, sondern versucht habe, die Menschen zu unterstützen und zu begleiten, so gut es möglich war und soweit diese dies wünschten.
In diese Phase seines Dienstes fiel im Juni 1975 die Ernennung zum Domkapitular durch Bischof Dr. Georg Moser , dessen Sitz im Rottenburger Domkapitel durch seine Wahl und Ernennung zum Bischof frei geworden war. Im August 1975 wurde er durch Papst Paul VI. zum Päpstlichen Ehrenkaplan (Monsignore) und im April 1983 durch Papst Johannes Paul II. zum Päpstlichen Ehrenprälaten (Prälat) ernannt.
Eine entscheidende und letzte Zäsur auf Prälat Georg Kopps Berufsweg bedeutete das Jahr 1985. Bischof Georg Moser hatte bereits im Januar 1984 eine Diözesansynode für die Jahre 1985 und 1986 angekündigt, in der im Auftrag der „Weitergabe des Glaubens an die kommende Generation“ – so das Synoden-Leitwort – nach Wegen gesucht werden sollte, um in einer zunehmend säkularisierten Gesellschaft Menschen in ihrem Glauben zu stärken und ein lebendiges Gemeindeleben zu fördern. Ausdrücklich wollte Bischof Moser dabei auch die pastoralen Impulse des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962–1965) und der „Würzburger Synode“ (1971–1975) verlebendigen und in seiner Diözese fruchtbar umsetzen. Mit der zweiten Vollversammlung der Synode im November 1985 berief Bischof Moser Prälat Kopp zum Leiter des Synodensekretariats und zugleich zum Leiter des Seelsorgereferats, der späteren Hauptabteilung „Pastorale Konzeption“ im Bischöflichen Ordinariat.
In diese Zeit fiel auch die Ernennung zum Domdekan und Sprecher des Domkapitels. In diesem Amt sollte ihm später eine zentrale Verantwortung für die Renovierung des Rottenburger Doms St. Martin in den Jahren 2001 bis 2003 zukommen.
Das Amt des Synodensekretärs bedeutete eine organisatorische und moderierende Aufgabe auf hohem inhaltlichem Niveau, aber Georg Kopp agierte hier nicht im Vordergrund. Nach Abschluss dieses diözesanen Ereignisses sollte dann jedoch die Umsetzung der Synodenergebnisse zum Zentrum seiner weiteren Tätigkeit werden. Das bedeutete für ihn vor allem „ein Weiterwirken des Geistes der Synode“, die Fortsetzung eines „Lebensvorgangs aus dem Glauben“. Leitend waren für ihn dabei auch die Impulse des Zweiten Vatikanischen Konzils, die sein pastorales Wirken leiteten und sein theologisches Denken bis heute zutiefst prägen.
Zwei Grundgedanken ziehen sich dabei wie ein Cantus firmus durch. Der erste Grundgedanke: Es geht nicht um die Kirche um ihrer selbst willen. Strukturen der Kirche, ja die Kirche selbst sind kein Selbstzweck. Die Kirche ist auf ein Größeres als sie selbst hingeordnet und steht in dessen Dienst: das Zeugnis vom Reich Gottes und die Verkündigung des Evangeliums. Ihre jeweilige geschichtliche Erscheinungsform ist immer vorläufig. „So wichtig die Kirche ist“, sagt Georg Kopp einmal, „wir müssen lernen, dass Gott größer ist. Ordnungen und Vorschriften sind nicht das letzte Maß. Wir müssen fragen, welche Strukturen heute dem Evangelium und den Menschen entsprechen.“
Diese Entsprechung sieht er in einem der zentralen inhaltlichen Akzente des Konzils, dem Verständnis der Kirche als Communio, als Gemeinschaft, und in einem konsequent verstandenen allgemeinen und gemeinsamen Priestertum aller getauften und gefirmten Christinnen und Christen. Alle Getauften und Gefirmten haben an der priesterlichen Berufung zum Aufbau der Gemeinden und zum Dienst der Evangelisierung, der Weitergabe und Verlebendigung des Glaubens Anteil. Gemeinde und Kirche konstituieren sich nicht vom Amt, von der Hierarchie her, sondern von dieser Gemeinschaft der Getauften und Gefirmten mit ihren jeweiligen Begabungen, Fähigkeiten und Berufungen – gemeinsam mit allen Ämtern und Diensten in der Kirche. „Die Gemeinde als ganze, mit all ihren Charismen und Diensten, auch dem des Amtes, ist Trägerin der Seelsorge.“ So lautet der Kernsatz der „Pastoralen Perspektiven“ aus dem Jahr 1992. Dem „Rottenburger Modell der Gemeindeerneuerung“, dem Bemühen um lebendige Gemeinden durch das Zusammenwirken aller Beteiligten in einer kooperativen und partizipativen Pastoral ist nach der Rottenburger Diözesansynode sein Wirken gewidmet. Einen wichtigen Ansatz dazu sah er im engen Zusammenwirken des Seelsorgereferats mit dem von ihm bereits 1976 gegründeten „Institut für Fort- und Weiterbildung der Kirchlichen Dienste“.
Aber: Bei aller Notwendigkeit struktureller Voraussetzungen für diesen Prozess ging es Georg Kopp nie nur um Strukturen, sondern zuerst und zuletzt um einen geistlichen Weg, um eine geistliche Erneuerung.
Für die Schwestern in Bad Niedernau Hilfe in schwerer Situation.

Zurück zum Ausgangspunkt. Sr. Maria Maul, Leiterin der Deutschsprachigen Provinz der Don Bosco-Schwestern und Nichte der ehemaligen Generaloberin der Armen Schulschwestern, Sr. M. Mechtildis Eichinger, berichtet in ihren „Erinnerungen an Domdekan Prälat Georg Kopp“ über dessen „treue Begleitung“ der Schwestern und dessen Hilfe bei der „Annahme und Bewältigung ihrer nicht leichten Situation“ ihres Abschiednehmens von Bad Niedernau. „Vor allem in den Jahren 2014 bis 2016 war ich persönlich unendlich dankbar dafür, dass Herr Domdekan und Frau Birgitta Trägner immer wieder sehr einfühlsam mit den Schwestern gesprochen und ihnen so geholfen haben, die Verluste ihrer Mitschwestern – eine nach der anderen ist gestorben – zu verarbeiten und mit den veränderten Lebensverhältnissen so gut wie möglich umzugehen. […] Ich persönlich bin Herrn Domdekan Kopp […] von Herzen dankbar für den unschätzbaren, unbezahlbaren, unersetzlichen Dienst, den er den Bad Niedernauer Schulschwestern erwiesen hat! Mit seiner ruhigen, gescheiten, bescheidenen Art hat er nicht nur ihnen geholfen, gerade die schweren Situationen im Leben zu bewältigen, sondern auch mir persönlich vorbildlich vorgelebt, was es bedeutet, im glaubenden Vertrauen auf Gott mit ‚heiterer Gelassenheit‘ zu leben!“

Thomas Broch.

Foto: Freundeskreis der Filipowaer

10. Dezember 2013 – Die letzten fünf Ordensschwestern unterzeichnen das Gründungsdokument; „Stiftung der Armen Schulschwestern Unserer Lieben Frau von Bad Niedernau“, im Beisein der Vertretung des Ordinariats von Rottenburg und Freiburg, Generalvikar Dr. Clemens Stoppel und Erzbischof Dr. Robert Zollitsch sowie der Vertreter der Stadt Rottenburg , in der Person des Bürgermeisters Stefan Neher. Prälat Kopp war als Beobachter der letzten amtlichen Handlung der Ordensschwestern als Gast zu der denkwürdigen Handlung eingeladen

Aus dem Gründungspapier geht hervor;

Die Stiftung Filipowaer Arme Schulschwestern Unseren Lieben Frau von Bad Niedernau, ist eine rechtsfähige kirchliche Stiftung des privaten Rechts. Zweck der Stiftung ist:

 – Förderung mildtätiger und kirchlicher Zwecke

– die Förderung der Religion, des Glaubens und des Gottesbezuges der Menschen

– Förderung der Heimatpflege und Heimatkunde

– die Bewahrung der Erinnerung an die donauschwäbische Heimat und die Vertreibung im Jahr 1945 und deren Folgen

– Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens und der öffentlichen Gesundheitspflege

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