Quellen: Anton Zollitsch; Wachsen, Entstehen und Vergehen einer donauschwäbischen Gemeinde, Freilassing 195, Seite 174-176.
Franz Schreiber/Georg Wildmann: Filipowa – Bild einer donauschwäbischen Gemeinde, Band 8, Seite 280 – 282.
Georg Wildmann: Donauschwäbische Geschichte, Bd. III: Die Tragödie der Selbstbehauptung im Wirkfeld des Nationalismus der Nachfolgestaaten 1918-1944, München 2010, besonders ab S. 595.
„Die Polarisierung der Ortsgemeinschaft
In weltanschaulich-politischer Hinsicht herrschte mit der Gründung des Schwäbisch-Deutschen Kulturbundes 1920 im Ort die konservativ-schwäbische Richtung vor, die auf Erhaltung der eigenen Sprache, Religion und Volkskultur ausgerichtet war. Ab Mitte der 1930er Jahre drängte die „Erneuerungsbewegung“ in den Kulturbund. Sie orientierte sich am Nationalsozialismus, der 1933 in Deutschland an die Macht gekommen war. Träger der Erneuerungsbewegung waren junge Akademiker, die in Deutschland studiert hatten. Das führte zur Propagierung der Neuen deutschen Weltanschauung, der Abwertung des Väterglaubens und zur Stärkung der Gefolgschaftstreue gegenüber Hitler-Deutschland. Die Erneuerer wollten den Kulturbund erneuern und daher kämpften sie um die Führung im Kulturbund. 1935 wurden sie ausgeschlossen. Sie versuchten trotzdem einzelne Mitglieder in den Ortsgruppen des Kulturbundes anzusprechen und die Kulturbundjugend gesinnungsmäßig zu gewinnen. In Filipowa hatten sie drei erklärte Gefolgsleute, die die Jugend des Kulturbundes in Gruppenstunden und Heimatbenden gegen Kirche und die Geistlichen aufstachelten. Die dörfliche Kulturbundführung konnte sich nicht zum Ausschluss der zu den Erneuerern tendierenden Jugendlichen entschließen. So kam es im Dezember 1935 zum Eklat. In der Heimstunde im Gasthaus, in der auch Kaplan Jakob Busch Vorträge zur religiösen Unterweisung hielt, verlas ein Ausschussmitglied des Kulturbundes ohne Wissen der Kulturbundführung ein antikirchliches Manifest der Erneuerer. Aus der Versammlung erhoben sich Buh-Rufe auf die Kirche und Kaplan Busch, worauf dieser den Heimabend verließ, die kirchlich orientierten Jugendlichen folgten ihm. Die „Pfarrjugend“ wurde zum Gegenpol der Kulturbundjugend. Um diese Zeit entstand in der katholischen Kirche auf päpstliche Anregung die „Katholische Aktion“. Sie gliederte sich in Filipowa ab 1936 in: Männer, Frauen, „Pfarrjugend“, „Christusjugend“, „Marienbund“ und „Jungschar“. Die Ausstrahlung auf andere katholische Orte war groß, es entstand auch eine Art „Katholische Erneuerungsbewegung“. Zudem entschloss sich die Pfarre zur Errichtung eines Pfarrheims, auch „Jugendheim“ genannt, das schon 1936 fertiggestellt werden konnte und das erste seiner Art in der Batschka war.
Somit war man in der religiösen Bildungsarbeit und im Theaterspielen unabhängig. Der stärker „deutsch-völkisch“ werdende Kulturbund und die sich organisierende Katholische Aktion standen in Filipowa trotz der Agitationsversuche der Erneuerer in einem Verhältnis toleranter Konkurrenz, jedenfalls bis zur Zerschlagung Jugoslawiens im „Aprilkrieg“ 1941. Die Dorfbewohner praktizierten weitgehend ihr gewohntes religiöses Leben. Zu Ostern 1939 vermerkt Pfarrer Peter Müller: „Seelenzustand: 3818 Katholiken … Ihre Osterbeichte haben nicht verrichtet 150 Personen“. Der gemäßigte Schulungsleiter im Kulturbund von Filipowa, der Lehrer Josef Volkmar Senz, schreibt über die Katholische Aktion: „Es war ein wirkliche Bewegung, die junge Geistliche führten, denen man eine Liebe zu ihrem Volke, Verbundenheit mit der deutschen Sprache und Kultur nicht mehr absprechen konnte. Allerdings kann ihren grundsätzlichen Bekundungen und ordentliche Kundgebungen eine positive Einstellung zu einer notwendigen weltlichen politischen volksdeutschen Gemeinschaftsarbeit nicht entnommen werden. Auch wenn sie in ihrer radikalen Ablehnung des Nationalsozialismus als Weltanschauung recht behalten hat, so bot sie keine gangbare volkspolitische Alternative für die aktvistische junge Generation der Donauschwaben, die auf deutsche Schule, deutsche Selbstverwaltung und Mitbestimmung und entsprechende deutsche Einrichtungen nicht mehr verzichten wollte, davon aber im Programm der Katholischen Aktion nichts wahrzunehmen vermochte“.
Bei der Vorbereitung der 175-Jahr-Jubiläumsfeier der Ansiedlung, die 1938 stattfand, war es das letzte Mal, dass Vertreter des Kulturbundes und die Vertreter der kirchlichen Seite im Festausschuss zusammensaßen. Es kam zur delikaten Auseinandersetzung über die Darstellung eines Ansiedler-Denkmals. Glaube und Volkstum sollte dargestellt werden. Beide Seiten legten ihre Entwürfe vor. In einer Kampfabstimmung wurde der Entwurf der kirchlichen Seite durch den Entwurf des Kulturbundes, den der Maler und Bildhauer Sebastian Leicht vorlegte, mit den Stimmen des zur kirchlichen Fraktion gehörigen Richters (Bürgermeisters) angenommen. Die Vertreter der Kirchengemeinde und Pfarrer Peter Müller machte geltend, dass in dem Denkmal nur Volkstum und Familie, der Glaube aber zu wenig zum Ausdruck komme. Der Ausschuss bestand aber auf seinem Mehrheitsbeschluss. Pfarrer Müller, machte darauf aufmerksam, dass ein bloßes Ahnen- und Familienbildnis nach den Regeln der Kirche nicht geweiht werden könne. Leicht argumentierte, in seinem Entwurf stehe die Familie im Mittelpunkt, der Vater verkörpere die Arbeit, die Mutter auch den Glauben, denn sie falte dem vor ihr stehenden Knaben die Hände zum Gebet. Das „Ahnendenkmal“ wurde am 30. Juli 1938 enthüllt, das „Heimatfest“ wurde auch ohne kirchliche Segnung des „Ahnendenkmals“ zum großen Erfolg.
Hitler hatte 1938 die Ausrichtung der Tätigkeit der deutschen Volksgruppen im Ausland der „Volksdeutschen Mittelstelle“ der SS (VOMI) übertragen. Im August 1939 trat unter Druck der VOMI die nationalkonservative Kulturbundführung zurück und der gemäßigte Erneuerer Dr. Sepp Janko wurde zum Obmann gewählt“. Am 1. September 1939 begann der Zweite Weltkrieg. Der schnelle Sieg der deutschen Truppen über Polen begeisterte vor allem die deutsch national fühlenden Kulturbundanhänger. Das Leben der Menschen im Dorf blieb aber unberührt, der Krieg war weit weg. Janko hatte die Gunst der Stunde für sich. Anfang 1939 war Ministerpräsident Milan Stojadinovi, ein zuverlässiger Kontrahent Deutschlands, zurükgetreten und Prinzregent Pavle hatte den Serben Dragiša Cvetkovi zum Ministerpräsidenten ernannt, dem es gelang die Vereinbarung (Sporazum) mit den oppositionellen Kroaten abzuschließen. Unter dem Eindruck dieses Erfolgs und der deutschen Siege wollte Cvetkovi alle Minderheitenfragen einer Lösung zuführen. Janko erreichte in Gesprächen mit Cvetkovi, dass in Werbas ein volles Gymnasium mit deutscher Unterrichtssprache, in Apatin ein vierklassiges deutsches Gymnasium und in Futok eine Landwirtschaftsschule mit Schulbeginn 1940 errichtet werden konnten. Janko rechnete aller Wahrscheinlichkeit noch die Familienangehörigen der Kulturbundmitglieder mit ein und kam so auf 300.000 Mitglieder bei einer Gesamtzahl von 510.000 Donauschwaben in Jugoslawien. Das erweckte in Berlin Eindruck. Zudem regulierte er das Beitragswesen und wurde so weitgehend unabhängig von reichsdeutschen Geldzuwendungen. Das wirkte beruhigend in Belgrad. Es wundert also nicht, dass ihn, den Vereinsobmann, die VOMI 1940 zum „Volksgruppenführer“ ernannte. Gemeint war: Der Volksgruppenführer ist Repräsentant und Sprecher der gesamten Volksgruppe vor dem Heimatstaat. Die „Amtswalter“ in den Gebieten, Kreisen und Ortsgruppe üben ihre Funktion nach dem Führerprinzip aus.
Da Hitler für 1941 den Angriff auf die Sowjetunion plante, war er an einer ruhigen Südostflanke und daher an einen Neutralität Jugoslawiens höchst interessiert. Der Druck Deutschlands auf Jugoslawien, dem „Dreimächtepakt“ (Deutschland-Italien-Japan) beizutreten, sollte die Neutralität des südöstlichen Nachbarn durch einen Vertrag sichern, der Jugoslawien zu keiner Kriegsteilnahme oder Durchmarschgewährung verpflichtete. Am 25. März 1941 erfolgte die Vertragsunterzeichnung und zwei Tage später kam es zum Putsch der Luftwaffenoffiziere um General Dušan Simovi in Belgrad, wobei der britische Militärattache die Fäden zog. Der Kronrat und das Kabinett Cvetkovi wurden abgesetzt, König Peter II. Karadjordjevi wurde für großjährig erklärt und inthronisiert und der Beitritt zum Pakt gekündigt. Hitler sah nun seine Südostflanke bedroht und ordnete sofort Vorbereitungen zu einer militärischen Zerschlagung Jugoslawiens an. Simovi war durch Geheimdienste vorgewarnt und befahl, aus allen deutschen Ortschaften prominente Deutsche als Geiseln zu holen und in der Festung Peterwardein festzusetzen. Aus Filipowa waren es vier Männer aus der Ortsgruppenführung des Kulturbunds. Am 6. April 1941 erfolgte der Angriff Deutschlands und seiner Verbündeten ohne formelle Kriegserklärung, indem die deutsche Luftwaffe Belgrad bombardierte. Am 17. April 1941 unterzeichnete Belgrad die bedingungslose Kapitulation der jugoslawischen Streitkräfte. Die donauschwäbischen Geiseln wurden frei, und auch die vier Filipowaer wurden in Filipowa triumphierend empfangen.
Die Batschka fiel an Ungarn. Diejenigen, die in Filipowa den Einzug deutscher Truppen erwartet hatten, wurden enttäuscht. Allerdings ließen sich auch Verbände der ungarischen Honvéd nicht blicken. Es gab Burschen, die sich in das deutschbesetzte Serbien absetzten und sich den deutschen Stellen freiwillig als Soldaten zur Verfügung stellten.
Filipowa gehörte nun zu Ungarn. Der Kulturbund der Batschka wurde am 9. November 1941 dem 1938 gegründeten „Volksbund der Deutschen in Ungarn“ (VdU) eingegliedert.
Hitler hatte die Agenden mit den Volksdeutschen in Europa dem Reichsführer SS Heinrich Himmler überantwortet. Im August 1940 begann Himmler eine an der Front einsetzbare SS-Einheit aufzubauen, die Waffen-SS. Für sie suchte er körperlich besonders taugliche junge Männer sowohl im Reichsgebiet als auch unter den Volksdeutschen. Die Verluste der Waffen-SS erwiesen sich im Krieg gegen die Sowjetunion als unerwartet hoch. Bis 19. November 1941 hatte die Waffen-SS 1239 Offiziere und 35.377 Mann, darunter 13.037 Tote, verloren. Schon nach dem ersten harten russischen Kriegswinter und seinen Verlusten mussten Soldaten gesucht werden. Himmler veranlasste die Reichsregierung mit Ungarn zwischenstaatliche Verträge abzuschließen, die es reichsdeutschen Stellungskommandos gestatteten, Männer für die Waffen-SS zu rekrutieren, die sich freiwillig meldeten. Im Falle der Freiwilligkeit wurde die Haager Landkriegsordnung nicht verletzt. Mit der Werbung wurde die Führung des VdU beauftragt, das hieß praktisch, die Ortsgruppenführer und ihre Mannschaft sollten den deutschen Stellungskommissionen Freiwillige aus den festgelegten Jahrgängen zuführen. Die Volksgruppenführung bemühte sich, aus der staatsrechtlichen Erlaubnis eine „völkische Pflicht“ zu machen. Man sollte dem deutschen Volk in seinem Kampf gegen den Bolschewismus in blutsmäßiger Verbundenheit treu zur Seite stehen. Die Ortsgruppenführung hatte aber keine Vollzugsgewalt. Die Zahl echter Freiwilliger ist schwer einzuschätzen. Anfänglich dürften es ein Viertel der Rekrutierten gewesen sein. In der SS-Freiwilligen-Gebirgsdivision „Prinz Eugen“ beispielsweise gab der letzte Kommandeur die Zahl der Freiwilligen mit „etwa 10 Prozent“ an. Viele sahen sich vor die Wahl gestellt, entweder zur ungarischen Honvéd, die auch in Russland kämpfte, oder zur Waffen-SS einzurücken und wählten mehrheitlich die zweite Alternative. Das waren Willige, aber keine Freiwillige. Die Aktionen fanden jeweils im Frühjahr 1942, 1943 und 1944 statt. Die beiden ersten enthielten die schwerwiegende Bestimmung, dass der Eintritt in die deutschen Streitkräfte den Verlust der ungarischen Staatsbürgerschaft zur Folge habe und Ungarn zur Ausbürgerung nach Deutschland berechtige. In der dritten Aktion wurde diese Bestimmung aufgehoben, und die Regierung der herrschenden faschistischen „Pfeilkreuzler“ erließ zudem schriftliche Einberufungen, die eine sofortige Überstellung an deutsche Verbände vorsahen.
Der Aufruf der Ortsführung des VdU, sich bei der Stellungskommission einzufinden, war in Filipowa 1942 nur von mäßigem Erfolg begleitet. Alle 18- bis 30jährigen, d.h. die Jahrgänge 1912-1924, sollten sich melden. Aber selbst Kulturbundmitglieder, erst recht kirchlich Organisierte leisteten dem Aufruf keine Folge und hielten sich in Häusern und Feldern der andersnationalen Ortschaften versteckt. Als etwa ein Viertel der Betroffenen sich nicht meldete, schickte Obmann Martin L. die Aktivgruppe, die uniformierte „Sportmannschaft“ aus, die in Häuser eindrang und manche Unwillige heranschleppte. Pfarrer Peter Müller beziffert die Gesamtzahl auf 260 Gemusterte. Diejenigen, die sich nicht gemeldet hatten, kamen wieder nach Hause und gingen ihrer Arbeit nach. Nicht wenigen von ihnen wurde das Haus mit Parolen beschmiert oder des nachts die Fenster eingeschlagen, sie wurden als „Schwarze“ oder „Madjaronen“ beschimpft. Um möglichst viele „Freiwillige“ aufzubieten, hatte Obmann Martin L., verschwiegen, dass den Eingezogenen der Verlust der Staatsbürgerschaft drohte.
Zwischendurch gab es freilich auch das „normale“ Leben. Die religiösen Feste wurden wie immer gefeiert. Die Handballmannschaft der Deutschen Jugend von Filipowa wurde 1943 Meister des Gebietes Batschka. Aus Deutschlands bombengefährdeten Gebieten kamen ganz Schulklassen von Kindern im Zuge der „Kinderlandverschickung“ aus dem „Reich“ und verblieben monatelang gratis verköstigt bei Familien im Dorf.
Am 19. März 1944 besetzten die deutschen Truppen Ungarn, da dieses einen Sonderfrieden mit den Alliierten angestrebt hatte. Bei dieser Gelegenheit vereinbarte die Führung der 8. SS-Reiterdivision Florian Geyer mit dem Gebietsführer des VdU der Batschka eine Blitzaktion in der Westbatschka, um bisherige wehrfähige Dienstverweigerer auszuheben. Das Sonderkommando führte am 20. März auch in Filipowa eine Musterung durch. Dabei kam es zur Höhepunkt der Konfrontation. Der Obmann des VdU, Martin L., ließ die drei führenden Repräsentanten der „Schwarzen“ von den „Sportmännern“ als Volksverräter schwer verprügeln und im Gasthaus Ott einsperren. Andere Verweigerer, die man in ihren Verstecken entdeckte, schleppte man vor die Stellungskommission. Die aus Hodschag herbeigerufene ungarische Gendarmerie schritt ein, befreite die Gefangenen und setzte dem illegalen Geschehen ein Ende. Keiner der Akteure wurde zur Verantwortung gezogen.
Das Abkommen zwischen Deutschland und Ungarn zur zweiten Freiwilligen-Aktion trat am 1. Juni 1943 in Kraft und betraf die Jahrgänge 1908-1911 und 1925 sowie jene, die sich von der ersten Aktion gedrückt hatten. Diese Aktion verlief eher ruhig.
Das dritte, am 14. April 1944 geschlossene Abkommen wurde mit dem nationalfaschistischen „Pfeilkreuzler“-Regime vereinbart. Es sah vor, dass Ungarn seine Wehrhoheit über die volksdeutschen Untertanen an das Deutsche Reich abtritt. Ministerpräsident Döme Sztójay sagte zu den deutschen Unterhändlern wörtlich: „In den volksdeutschen Gebieten können sie mustern, wen sie wollen“. Die Einberufung zur Waffen SS erfolgte somit nach dem 14. April 1944 unter gesetzlichem Zwang. Und so wurden von der ungarischen Regierung im August 1944 die Einberufungen zur freiwilligen Meldung unterstützt. Es betraf nun die Jahrgänge 1892-1907 und 1927. Die Musterungen erfolgten im Juli und die Einberufungen im September. Viele flohen, einige bis Budapest. Es gab Razzien. In einer Nacht wurden um die 200 Männer ausgehoben. Der Obmann des Volksbundes und ein ungarischer Offizier hielten nochmals Musterung. Am 9., 12. und 20. September wurde nochmals einberufen. Nur wenige stellten sich, die meisten ergriffen die Flucht oder suchten Verstecke auf. Bei den Suchaktionen kamen Soldaten der bosnischen muslimischen Waffen-SS-Division „Handschar“ zum Einsatz in Filipowa. Jene deren man habhaft wurde, wurden buchstäblich „in die Uniform gesteckt“. Manche von ihnen konnten sich bald Zivilkleidung besorgen und kamen bald nach Hause.
Seit der ersten Waffen-SS-Aktion konsolidierte sich das Verhältnis „Schwarz“ und „Weiß“ in Filipowa nicht mehr. Es blieb das Ressentiment der einen gegen die anderen, vor allem ab der Zeit, ab der die Meldungen kamen, der eine und andere der Unfreiwillig-Freiwilligen sei „für Führer, Volk und Vaterland“ irgendwo in den Weiten Russlands gefallen. Während die einen weiter ihre Felder bestellten und vom Krieg wenig spürten, verloren die anderen den Sohn oder den Mann. Auch die ernsten, nach reichsdeutschem Muster gestalteten Totenehrungen im Volksbundheim konnten da wenig Trost bieten. Die einen sahen sich als die von einer kirchenfeindlichen Ideologie Verfolgten, die anderen als die Opferbringenden und Heimatschützer, daher betrachteten sich beide Gruppen als moralisch gerechtfertigt und fühlten sich im Besitz eines guten Gewissens. Dazwischen standen nicht wenige Handwerker und Kaufleute, die um ihrer Kundschaft willen bestrebt waren, sich aus beiden Lagern heraus zu halten. Nicht die Polarisierung, die Auswüchse der Polarisierung trüben das Bild der Filipowaer Ortsgeschichte.“
Zwischendurch gab es freilich auch das „normale“ Leben. Die religiösen Feste wurden wie immer gefeiert. Die Handballmannschaft der Deutschen Jugend von Filipowa wurde 1943 Meister des Gebietes Batschka. Aus Deutschlands bombengefährdeten Gebieten kamen ganz Schulklassen von Kindern im Zuge der „Kinderlandverschickung“ aus dem „Reich“ und verblieben monatelang gratis verköstigt bei Familien im Dorf.
Am 19. März 1944 besetzten die deutschen Truppen Ungarn, da dieses einen Sonderfrieden mit den Alliierten angestrebt hatte. Bei dieser Gelegenheit vereinbarte die Führung der 8. SS-Reiterdivision Florian Geyer mit dem Gebietsführer des VdU der Batschka eine Blitzaktion in der Westbatschka, um bisherige wehrfähige Dienstverweigerer auszuheben. Das Sonderkommando führte am 20. März auch in Filipowa eine Musterung durch. Dabei kam es zur Höhepunkt der Konfrontation. Der Obmann des VdU, Martin L., ließ die drei führenden Repräsentanten der „Schwarzen“ von den „Sportmännern“ als Volksverräter schwer verprügeln und im Gasthaus Ott einsperren. Andere Verweigerer, die man in ihren Verstecken entdeckte, schleppte man vor die Stellungskommission. Die aus Hodschag herbeigerufene ungarische Gendarmerie schritt ein, befreite die Gefangenen und setzte dem illegalen Geschehen ein Ende. Keiner der Akteure wurde zur Verantwortung gezogen.
Das Abkommen zwischen Deutschland und Ungarn zur zweiten Freiwilligen-Aktion trat am 1. Juni 1943 in Kraft und betraf die Jahrgänge 1908-1911 und 1925 sowie jene, die sich von der ersten Aktion gedrückt hatten. Diese Aktion verlief eher ruhig.
Das dritte, am 14. April 1944 geschlossene Abkommen wurde mit dem nationalfaschistischen „Pfeilkreuzler“-Regime vereinbart. Es sah vor, dass Ungarn seine Wehrhoheit über die volksdeutschen Untertanen an das Deutsche Reich abtritt. Ministerpräsident Döme Sztójay sagte zu den deutschen Unterhändlern wörtlich: „In den volksdeutschen Gebieten können sie mustern, wen sie wollen“. Die Einberufung zur Waffen SS erfolgte somit nach dem 14. April 1944 unter gesetzlichem Zwang. Und so wurden von der ungarischen Regierung im August 1944 die Einberufungen zur freiwilligen Meldung unterstützt. Es betraf nun die Jahrgänge 1892-1907 und 1927. Die Musterungen erfolgten im Juli und die Einberufungen im September. Viele flohen, einige bis Budapest. Es gab Razzien. In einer Nacht wurden um die 200 Männer ausgehoben. Der Obmann des Volksbundes und ein ungarischer Offizier hielten nochmals Musterung. Am 9., 12. und 20. September wurde nochmals einberufen. Nur wenige stellten sich, die meisten ergriffen die Flucht oder suchten Verstecke auf. Bei den Suchaktionen kamen Soldaten der bosnischen muslimischen Waffen-SS-Division „Handschar“ zum Einsatz in Filipowa. Jene deren man habhaft wurde, wurden buchstäblich „in die Uniform gesteckt“. Manche von ihnen konnten sich bald Zivilkleidung besorgen und kamen bald nach Hause.
Seit der ersten Waffen-SS-Aktion konsolidierte sich das Verhältnis „Schwarz“ und „Weiß“ in Filipowa nicht mehr. Es blieb das Ressentiment der einen gegen die anderen, vor allem ab der Zeit, ab der die Meldungen kamen, der eine und andere der Unfreiwillig-Freiwilligen sei „für Führer, Volk und Vaterland“ irgendwo in den Weiten Russlands gefallen. Während die einen weiter ihre Felder bestellten und vom Krieg wenig spürten, verloren die anderen den Sohn oder den Mann. Auch die ernsten, nach reichsdeutschem Muster gestalteten Totenehrungen im Volksbundheim konnten da wenig Trost bieten. Die einen sahen sich als die von einer kirchenfeindlichen Ideologie Verfolgten, die anderen als die Opferbringenden und Heimatschützer, daher betrachteten sich beide Gruppen als moralisch gerechtfertigt und fühlten sich im Besitz eines guten Gewissens. Dazwischen standen nicht wenige Handwerker und Kaufleute, die um ihrer Kundschaft willen bestrebt waren, sich aus beiden Lagern heraus zu halten. Nicht die Polarisierung, die Auswüchse der Polarisierung trüben das Bild der Filipowaer Ortsgeschichte.“