Paul Mesli führte seine getrennten und zerstreuten Landsleute nach der Vertreibung wieder zusammen und erwies sich als Motor, Herz und Seele der verloren gegangenen Ortsgemeinschaft Filipowa. Als ehemaliger Frisör kannte er fast jede Familie der alten Heimat. Nach der Vertreibung war er zunächst in der Landwirtschaft tätig. Ab 1952 war er in Wien als Gärtner und Portier bei der Erzherzogin Elisabeth Marie von Habsburg, der einzigen Tochter des durch Selbstmord verstorbenen Thronfolgers Rudolf von Habsburg, angestellt.
Daneben widmete er sich in herausragender und nachhaltiger Weise der Heimatforschung. Unter den Armen Schulschwestern in Bad Niedernau fand er dafür zahlreiche Zeitzeuginnen, zumal eine Reihe von ihnen aus Filipowa stammte.
1947 begann er mit der Erfassung der Filipowaer in aller Welt. Er erstellte eine Statistik der 225 Kriegs- und 1175 Lageropfer und arbeitet viele Jahre mit dem Suchdienst des Roten Kreuzes zusammen. Es entstand eine Bilddokumentation über alle Opfer genauso wie eine Familienchronik, die 1121 Familien von der Ansiedlung im Jahr 1763 bis zur Vertreibung registrierte (rund 30.000 Personen über sechs Generationen). Er baute eine Fotosammlung mit 3800 Negativen über die alte Heimat auf, sammelte die Anschriften der Filipowaer in aller Welt. 1961 begann er zusammen mit Pater Wendelin Gruber mit der Herausgabe der „Filipowaer Heimatbriefe“ – inzwischen sind 78 Ausgaben erschienen, wurde Mitherausgeber der Filipowaer Bildbände 1-5.
Sein Wirken wurde vielfältig ausgezeichnet, u. a. mit dem „Silbernen Verdienstzeichen um die Verdienste für die Republik Österreich“. Und mit dem „Verdienstkreuz Erster Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland“
Paul Mesli, nach der Vertreibung in Wien sesshaft geworden, war der wohl beste Kenner der Bewohnerschaft und des Brauchtums Filipowas sowie seiner die Zwischenkriegszeit betreffenden Geschichte. Er war 1965 maßgebend an der Gründung des „Vereins der Filipowaer Ortsgemeinschaft in Österreich“ beteiligt, übernahm 1966 die Herausgabe der Filipowaer Heimatbriefe und gewann Franz Schreiber (1929-2000) und Dr. Georg Wildmann (*1929) als Mitredakteure der Heimatbriefe.
An seinen siebzigsten Geburtstag, 1977, verkündete er anläßlich einer der altheimatlichen Kirche gewidmeten Kirchweihfeier in Wien sein Vorhaben, mit Hilfe des Heimatbrief-Teams einen „Filipowaer Bildband“ herauszugeben und der Ortsgemeinschaft als Erinnerungsbuch zum Kauf anzubieten. Das Bildmaterial des Bandes sollte die Reproduktion alter, aus der Heimat geretteter Photographien beinhalten, seine Texte sollten die Geschichte, Wirtschaft und Religion umreißen. Die Herausgabe bedeutete ein unternehmerisches Risiko. Man konnte nicht abschätzen, wie so ein Bildband aussehen sollte und ob er überhaupt Anklang finden und gekauft würde. Ortsmonographische Bildbände mit Texten gab es zu dieser Zeit im donauschwäbischen Kulturfeld noch nicht.
Doch sollte der Bildband nur das Pilotprojekt darstellen, das den Weg öffnete für das eigentlich angestrebte Ziel: das „Totenbuch der Filipowaer“, wie Mesli es nannte. In ihm sollten alle durch Krieg und Vertreibung zu Tode gekommenen 1413 Filipowaer mit Namen, Geburts- und Sterbedaten und möglichst auch mit ihren Porträt-Photographien verewigt sein. „Wir können ihnen keine Grabsteine setzen“, meinte Mesli, „dafür wollen wir ihnen ein Buch widmen, um ihnen unsere Pietät zu erweisen“. In seiner Festrede beim Großtreffen in Leutenbach 1987 sagte Georg Wildmann: „Letztlich verdanken wir die Bildbände unseren Toten. Das Ziel der Bildbände ist Totenbuch. Unseren stummen Toten, um die sich die Weltgeschichte so wenig kümmert, müssen wir ein Denkmal setzen. Wenn wir den Opfergang unserer Toten vergessen, dann triumphieren ihre Mörder“.
Der erste Band erscheint 1978. Für Wildmann und Schreiber präsentiert sich in ihm exemplarisch die vorindustrielle pannonische Agrarkultur. Beide empfinden die Schaffung einer Bildband-Reihe, die Lebenswelt Filipowas dem Vergessen entreißen soll, als Teil ihrer Lebensaufgabe. Es entstehen bis 1999 acht Bände, die als Erstaufarbeitung des Quellenmaterials der weiteren wissenschaftlichen Bearbeitung dienen können.
Höhepunkt seines Schaffens:
Mit dem Großfest „20 Jahre neue Heimat“ eröffnet der Verein in Wien, unter der Leitung von Paul Mesli, zu Pfingsten 1967 die Ära der nach einem Programm durchstilisierten Großfeste der OG Filipowa. Am Pfingstsamstag beginnt das Fest mit der Totenfeier. Das wird von nun fast stets so sein. Msgr. Mathias Johler hält die Totenrede. Es folgt die Eröffnung der Heimatausstellung. Gerettete Kleinobjekte und 500 großformatige Fotos rufen das verlorene Heimatdorf und seine Menschen in Erinnerung. Trachtenpuppen machen die Filipowaer Trachten anschaulich. Paul Mesli stellt auf Schaubildern die Ergebnisse seiner zwanzigjährigen statistischen Nachforschungen vor. Der Impuls für eine neue Identitätsfindung ist ausgelöst. Beim festlichen Amt am Pfingstsonntag konzelebrieren acht Priester aus Filipowa. Die Festrede vor rund 1000 Teilnehmern hält Dr. Valentin Eichinger, praktischer Arzt in Graz. „Wir kamen verbittert, misstrauisch, enttäuscht, aber wir fühlten keinen Hass . Wir sind keine Störenfriede..!“.
Philipp Teppert (ehem. Mitglied im Kulturbund) setzte mit seinem Vergebungsappell das Richtmaß der Filipowaer „Einigungspolitik“: „Ich danke dem Herrgott, dass er mir verziehen hat und bitte, dass die, die noch nicht vergeben haben, vergeben mögen.“
Dieses Fest war in mehrfacher Hinsicht bedeutsam. Es stärkte das Selbstbewusstsein der ungewöhnlich weitzerstreut lebenden Filipowaer.
Es gab einen entscheidenden Anstoß, sich der eigenen Identität als Donauschwaben und Filipowaer neu bewusst zu werden, etwa in dem Sinne: Wir sind Österreicher, Deutsche, Amerikaner usw. mit einem Filipowaer Einschlag.
Die Festdevise des 2. Großtreffens lautete „25 Jahre neue Heimat“. Am 12. August 1972 reisten aus neun Ländern rund 1400 Personen an, wohl die Hälfte der damals lebenden gebürtigen Filipowaer. Es vereinigte die größte Zahl der Filipowaer in der Nachkriegszeit. Das Fest kulminierte in der Trachtenhochzeit, die mit dem Festamt verbunden ist. 28 Trachtenpaare, davon 22 in Filipowaer Tracht, begleiteten das Brautpaar. Acht Priester aus Filipowa konzelebrierten – ein allerletztes Mal in dieser Anzahl, wie es sich später erweisen sollte.