Wege der Integration in der Bundesrepublik Deutschland und in Österreich

Textauszüge aus der Arbeit von Dr. Raimund Eichinger: Filipowaer nach Filipowa – Sozialgeografische Entwicklung einer donauschwäbischen Ortsgemeinschaft nach der Vertreibung. Winnenden 2000.

Das Fallbeispiel der Batschka-Gemeinde Filipowa zeigt sehr interessante Integrationswege und -charakteristiken auf. Von den gebürtigen Filipowaern, die Vertreibung und Flucht überlebten, wurden 51,3 % in der Bundesrepublik Deutschland und 29.1 % in Österreich ansässig. Ein knappes Fünftel fand außerhalb des deutschen Sprachraums eine neue Heimat.

Die Integration vollzog sich in Deutschland unter anderen Rahmenbedingungen als in Österreich. Die auf dem Gebiet der Bundesrepublik Ankommenden, waren hier von Beginn an Staatsbürger. In Österreich hingegen wurde die Staatsbürgerschaft für 9 % der Filipowaern vor allem in der 1. Hälfte der 1950er Jahre verliehen, was weitreichende soziale Folgen nach sich zog. Mit einer Staatsbürgerschaft war in Österreich ein freier Zugang zum Arbeitsmarkt verbunden. Beispielsweise von den erwerbstätigen Filipowaern, die sich in Wien niederließen, arbeiteten 1952 68,2 % in der Landwirtschaft. Gleichzeitig verdienten in Württemberg vergleichsweise nur 9% dort ihren Lebensunterhalt. Weiters wurde in Deutschland die Integration durch den Lastenausgleich gefördert. Die vergleichsweise schlechteren Integrationsbedingungen in Österreich zeigen sich auch daran, dass von Österreich aus, bezogen auf die Filipowaer Bevölkerung, die hier niederließ, 25,9% nach Übersee emigrierten, während es von Deutschland aus nur 126 %, also weniger als die Hälfte waren.

Das eigene Haus zu besitzen, war enorm wichtig für das Selbstverständnis der Filipowaer. Weltweit wohnten 1964 fast 80 % der gebürtigen Filipowaer in familieneigenen Häusern. Die Übergangsunterkünfte der Nachkriegszeit in Durchgangs- und Auffanglagern, auf Bauernhöfen, in Gutshöfen, kirchlichen Gebäuden, notdürftigen Privatunterkünften und sonstigen Dienstwohnungen wurden von den Filipowaern nicht als reguläre Hauptwohnsitze angesehen. In diesem sahen sich die Filipowaer nicht als ins Land integriert an. Der Schwerpunkt des Einzugs der Filipowaer in die regulären Hauptwohnsitze konnte in den Westbesatzungszonen Österreichs für den Monat Juli des Jahres 1956 errechnet werden. Er lag um beachtliche 14 Monate vor jenem in den sowjetischen Besatzungszonen Österreichs. Im Detail: In den Westbesatzungszonen Österreichs schafften 37 % der Filipowaer aus einem Auffanglager, ein gutes Viertel aus kirchlichen Einrichtungen und 17,4 % aus Bauernhöfen den Sprung in die eigenen vier Wände. In der sowjetischen Besatzungszone Österreichs lebten und arbeiteten hingegen drei Fünftel der Filipowaer vor dem Einzug in den regulären Hauptwohnsitz auf landwirtschaftlichen Gutshöfen. In der amerikanischen Besatzungszone Deutschlands (Bayern, Nordwürttemberg, Nordbaden, Hessen) fiel der Schwerpunkt des Einzugs in die regulären Hauptwohnsitze auf den März 1956. Insgesamt befanden sich 95,5 % der gebürtigen Filipowaer vorher entweder auf einem Bauernhof, in einem Auffanglager oder in einer privaten Übergangswohnung. Der Rest von 4,5 % verteilte sich auf kirchliche Einrichtungen, Gutshöfe und sonstige Dienstwohnungen. Die Ankunft der Filipowaer vor allem in der französischen Besatzungszone Deutschlands verlief erheblich anders. Mehr als die Hälfte der Filipowaer in diesen Gebieten traf erst ab 1950 ein. Der Grund liegt in der Öffnung der Gebiete der französischen Besatzungszone für Heimatvertriebene im Frühjahr 1950. Die Filipowaer, die damals in die Pfalz zogen, rekrutierten sich hauptsächlich aus Bauernhöfen des bayrischen Inngebiets, erst in zweiter Linie aus bayrischen Auffanglagern. 79,7 % schafften hier den Sprung in den regulären Hauptwohnsitz aus einem privaten Übergangsquartier. Der Schwerpunkt des Einzugs in die eigenen vier Wände fiel auf den März 1957.

Interessant ist auch in Hinblick auf die soziale Integration das Heiratsverhalten der Leute aus Filipowa:

In der Zeit zwischen Kriegsende und 1954 hoben sich Donauschwaben als gesonderte Gruppe deutlich ab. Damals ehelichten Angehörige der Filipowaer Kindergeneration (zwischen 1920 und 1944 geboren) zu 32,9 % gebürtige Filipowaer und und 72,6 % der geschlossenen Ehen stammte der Ehepartner aus einem donauschwäbischen Dorf. Nach 1964 wurden in der Filipowaer Kindergeneration Ehen nur mehr zu 20,5 % mit donauschwäbischen Landsleuten eingegangen.

 

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