Der reiche Mäzen hatte hier sein Landhaus – Kilian von Steiner

Kilian von Steiner – er verbrachte gerne seine freie Zeit in Niedernau. Foto: Archiv Stiftung Arme Schulschwestern

Dr. Kilian von Steiner war Sohn des jüdischen Handelsmannes Viktor Steiner aus Laupheim. Er wurde Jurist und begann nach seiner Pro­motion in Stuttgart eine er­­staun­liche finanzpolitische Karriere: Er wurde Mitbegründer der Deutschen Partei, Aufsichtsratsvorsitzender der Württembergischen Vereinsbank, Mitbegründer der WMF, der Salzwerke Heilbronn und gefragter Berater der im 19. Jahrhundert ­aufstrebenden württembergischen Industrie. Gottlieb ­Daimler und auch die BASF holten sich bei ihm finanzjuristischen Rat. 1895 verlieh Kö­nig Wilhelm II. ihm den persön­lichen Adelstitel. Im Jahr 1871 hatte er bereits die „Villa Waldhaus“ hier in Niedernau gekauft.

 

Kilian von Steiner nannte sie die „Villa Waldhaus“. Damals war sie nur zwei Stockwerke hoch. Foto: Archiv Stiftung Arme Schulschwestern

Damals war die Villa noch zwei Stockwerke niedriger. Vorbesitzer war der Tübinger Medizinprofessor Felix von Niemeyer, der das Wohnhaus des einstigen Badbesitzers Adolph Raidt ab 1865 zur Villa ausbaute. 1890 entstanden unter Kilian von Steiner Erweiterungsbauten in Fachwerk und Backstein und der Park wurde bepflanzt. Dort genoss von Steiner gerne seine Sommerfrische. Der Bahnanschluss seit 1864 erlaubte ihm kurzfristige Wochenendbesuche in seiner Idylle.

Ende des 19. Jahrhunderts als kleiner, zur Villa gehörender Bauernhof erbaut, später als Gästehaus genutzt: Die Niedernauer nennen es Fritz-Keller-Haus – vielleicht nach dem Dichter Fritz Keller. Foto: Archiv der Stiftung Arme Schulschwestern

Kilian von Steiner schwärmte von der Literatur. Er ermöglichte beispielsweise dem Dichter Berthold Auerbach hier einen mehrmonatigen Aufenthalt, der dort sein berühmtestes Werk „Schwarzwälder Dorfgeschichten“ zu Ende verfasste. Als Mäzen wurde er zum Mitbegründer des Schiller-Nationalmuseums in Marbach für das er später unter anderem den Nachlass Auerbachs erwarb und dem Museum spendete.

Die historistische Idylle wurde komplettiert mit einem mittelalterlich anmutenden Wandelgang. Foto: Archiv Stiftung Arme Schulschwestern

Der Wandelgang, der heute fast wie Klostermauern anmutet, wurde um 1890 errichtet. Hier konnte man auch bei schlechterem Wetter trockenen Fußes im Freien wandeln. Auch eine Kegelbahn war dort integriert. Die Kegel und Kugeln hatten ihr Depot in dem kleinen angebauten Häuschen.

1917 verkaufte die Wittwe das gesamte Anwesen an den Kyffhäuserbund, der das Haus als Kriegererholungsheim nutzte. Im Jahr 1915 wurde das Haus vom Kyffhäuserbund aufgestockt und der Spitzgiebel entstand. Der Haupteingang wurde in diesem Zug auf die Südseite verlegt.

1958 wurde die Steinersche Villa mit zwei kleinen Nebengebäuden auf der Anhöhe sowie der große Garten mit dem Wandelgang und dem sogenannten Fritz-Keller-Haus von der Kongregation der Armen Schulschwestern erworben. Im Mai 1958 konnten erste Förderschüler in das Internat einziehen.

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